Zürich. Nach der Suspendierung seines größten Widersachers Mohamed Bin Hammam wurde FIFA-Präsident Joseph S. Blatter mit weiteren Vorwürfen überschüttet. Handfeste Beweise blieben aber aus, einer Wiederwahl Blatters am Mittwoch steht nichts im Wege.
Bestechung in Millionenhöhe, Machtmissbrauch und eine mysteriöse E-Mail: Joseph S. Blatter bläst nach dem Triumph über seinen abservierten Widersacher Mohamed Bin Hammam in der größten Schlammschlacht der FIFA-Geschichte eiskalter Wind ins Gesicht. Doch trotz aller neuen Vorwürfe scheint die Wiederwahl des allmächtigen Präsidenten am Mittwoch beim 61. Kongress des strauchelnden Fußball-Weltverbandes in Zürich sicher - sollten seine Rivalen nicht noch zum entscheidenden Gegenschlag ausholen.
Bin Hammam zumindest will sich seine Suspendierung durch das FIFA-Ethik-Komitee nicht bieten lassen und Einspruch einlegen. "Diese Entscheidung hat mit rechtsstaatlichen Prinzipien nichts zu tun. Ich werde bestraft, bevor ich schuldig gesprochen bin. Und ich befürchte, dass auch die weiteren Ermittlungen beeinflusst und manipuliert werden."
Was die Gegner Blatters am Montag ansonsten vorbrachten, beschmutzte das Ansehen des Schweizers zwar weiter, beweiskräftig war es aber auch nicht. Der am Sonntag gemeinsam mit Bin Hammam suspendierte FIFA-Vize Jack Warner behauptet, Blatter habe Warners Verband auf dem CONCACAF-Kongress im Mai in Miami "eine Spende von einer Million Dollar (knapp 700.000 Euro, d. Red.) zur freien Verwendung" überreicht.
Auf den Protest des UEFA-Präsidenten Michel Platini, das Finanzkomitee habe keine Zustimmung für diese Zahlung erteilt, soll FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke laut Warner gesagt haben, er werde schon "Geld für Blatter finden". Der Nachrichtenagentur Reuters sagte Warner: "Blatter muss gestoppt werden."
Platini sagte am Montag lapidar, seine Entrüstung gegenüber Blatter sei scherzhaft gemeint gewesen, und verwies auf ein privates Präsidenten-Budget, mit dem Blatter "ein oder zwei Projekte" unterstützen könne. Erst im Nachhinein müsse das Exekutiv-Komitee zustimmen.
"Korruptes Gericht"
Das Ethik-Komitee, das Blatter am Sonntag von allen Vorwürfen freigesprochen hatte, wurde von Warner als "korruptes Gericht" bezeichnet, dessen Mitglieder "von Blatter handverlesen" seien. Zudem legte Warner eine angeblich von Valcke versandte E-Mail vor, in der dieser behauptete, Katar habe die WM 2022 "gekauft".
Das Organisationskomitee des Emirats wies am Montag alle Vorwürfe zurück und schließt rechtliche Schritte nicht aus. "Wir erwarten dringend Aufklärung durch die FIFA bezüglich der Stellungnahme ihres Generalsekretärs. In der Zwischenzeit werden wir uns rechtlich beraten lassen, um unsere Optionen zu prüfen."
Die Mail könnte Valcke anscheinend tatsächlich in Schwierigkeiten bringen, Blatter jedoch offenbar nicht. Valcke bezeichnete die Mail am Montag in Zürich als "echt", allerdings auch als "privat" und nahm seinen Boss damit vorab aus der Schusslinie. Man werde über das Schreiben diskutieren, so Valcke.
Wie verzweifelt Warner im Kampf gegen Blatter sein muss, lässt eine Aussage vermuten, die der Funktionär aus Trinidad und Tobago gegenüber Reuters-Journalisten bei der Präsentation der vermeintlich belastenden E-Mail tätigte: "Sie müssen mir nicht glauben, Sie müssen mich nicht mögen, niemand muss mit mir essen oder schlafen, aber Jesus Christus: Erkennen Sie die Wahrheit, wenn Sie sie sehen!" Wenig überzeugend kündigte er weitere Enthüllungen an: "Ich werde bald sehr viel mehr zu dieser Sache sagen."
Dass Katar die WM 2022 noch aberkannt werden könnte, scheint nicht ausgeschlossen, obwohl eine derzeit beliebte Verschwörungstheorie dagegen spricht: Demnach hat Blatter seine Beziehungen zum katarischen Königshaus spielen lassen und diesem weitere WM-Unterstützung zugesagt, sollte Bin Hammam seine Bewerbung zurückziehen - was er am Sonntagmorgen getan hat.
Image der FIFA hat Schaden genommen
Blatter sagte am Montag zunächst nichts und bat für den Abend im FIFA-Hauptquartier zu einer Pressekonferenz. Zuvor hatte er nicht mehr als ein karges Statement zur Entscheidung des Ethik-Komitees abgegeben, "die ich nicht im Detail kommentieren will". Er bedauere, was passiert sei: "Das Image der FIFA hat dadurch großen Schaden genommen."
Daran lassen auch die Reaktionen aus der internationalen Presse keinen Zweifel. Selbst der Schweizer Blick, in dem Blatter Kolummnen schreibt, kommentierte bissig: "Wer mit Blatter in den Ring steigt, der sollte wissen, worauf er sich einlässt. Kein Sportfunktionär lobbyiert schlauer als dieser Fuchs. Und keiner zieht sein Netz der Macht geschickter und skrupelloser über alle Kontinente."
Eine Verlegung der Wahl schloss Valcke schon am Sonntag aus, ohnehin müsste diese mit einer Dreiviertelmehrheit der 208 FIFA-Verbände beschlossen werden. Sonst steht rein technisch einer Wiederwahl Blatters per Akklamation nichts mehr im Wege. 1998 hatte Herausforderer Lennart Johansson gegen Blatter das Nachsehen gehabt, 2002 boxte sich der heute 75-jährige Schweizer gegen Issa Hayatou durch. Diesmal räumte Bin Hammam schon vor der Wahl das Feld. (sid)