Zürich. Katar soll die WM-Vergabe gekauft haben. Suspendierung von Mohammed bin Hammam sorgt in der arabischen Welt für Verärgerung. Schwere Vorwürfe auch gegen Blatter, der am Mittwoch als einziger Kandidat antritt, das Amt des Präsidenten weiter auszuüben.

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Der Weltfußballverband FIFA wird von einem nie dagewesenen Korruptionsskandal erschüttert. Nach der Suspendierung der beiden Spitzenfunktionäre Mohammed bin Hammam und Jack Warner wurde am Montag eine Aussage des FIFA-Generalsekretärs Jerome Valcke bekannt, wonach das Land Katar den Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2022 gekauft habe. Am Mittwoch soll die FIFA einen neuen Präsidenten wählen. Nach der Suspendierung Bin Hammams ist Amtsinhaber Joseph S. Blatter der einzige Kandidat. Ob sein Vize-Präsident oder sein Generalsekretär Joseph Blatter über diese Vorwürfe informiert hatten, blieb zunächst unklar.

Generalsekretär Valcke bestätigte am Montag, dass er in einer privaten E-Mail an den mittlerweile suspendierten FIFA-Vizepräsidenten Jack Warner eine entsprechende Aussage gemacht habe. Die E-Mail war zuvor von Warner selbst veröffentlicht worden.

Valcke sollte bin Hammam von Kandidatur abhalten

"Ich habe nie verstanden, warum MBH kandidiert hat", heißt es in der E-Mail von Valcke an Warner. Und weiter: "Hat er wirklich gedacht, er habe eine Chance, oder war es nur eine extreme Art und Weise zu zeigen, wie sehr er JSB (Blatter) nicht mehr mag. Oder dachte er, man könne die FIFA kaufen wie sie (die Katarer) die WM."

Kurz vor einem CONCACAF-Meeting in Zürich sagte Valcke am Montag: "Es war eine private E-Mail und wir werden darüber diskutieren. Er (Warner) schickte mir eine E-Mail, in der er mich fragte, ob ich das wolle (dass bin Hammam kandidiert). Er sagte, ich solle bin Hammam davon abhalten."

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"Katar bestreitet kategorisch jede falsche Handlung"

Auf Valckes E-Mail und seine Aussagen darin angesprochen, sagte bin Hammam am Montag: "Was denken Sie? Sie sollten Valcke fragen, was er gedacht hat", sagte er der BBC. "Ich weiß nicht, warum er das gesagt hat. Wenn ich Geld für Katar bezahlt haben soll, dann müssen Sie auch die übrigen 13 Leute fragen, die für Katar gestimmt haben."

Valckes Aussagen wurden vom WM-Ausrichter Katar umgehend dementiert: "Katar bestreitet kategorisch jede falsche Handlung im Zusammenhang mit der erfolgreichen Bewerbung", hieß es in einer Erklärung. "Wir erbitten dringend eine Aufklärung durch die FIFA bezüglich der Äußerungen des Generalsekretärs. In der Zwischenzeit werden wir rechtlichen Rat einholen und unsere Optionen prüfen lassen."

"Geständnisse von allen, die beteiligt waren"

Chuck Blazer, Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee, erklärte, es werde zusätzliche Beweise geben für das, was bei einem Treffen Bin Hammams und Warners mit 25 Mitgliedern des Karibischen Fußballverbandes Anfang Mai passiert sei. "Wir müssen Geständnisse bekommen von allen, die beteiligt waren", sagte er der Nachrichtenagentur AP.

Anwalt John Collins, der die Beweisakten zusammengestellt hat, erwartet, dass sich weitere Zeugen melden werden. "Meine Hoffnung ist, dass sie sich selbst anzeigen. Wenn sie das nicht tun, werden sie im Zuge der Ermittlungen überführt werden", sagte der ehemalige amerikanische Bundesstaatsanwalt.

Erstes Geständnis

Bin Hammam wird vorgeworfen, ein Treffen der karibischen Fußball-Union (CFU) Anfang Mai organisiert und finanziert zu haben. Dazu soll er bei diesem Treffen 25 Wahlberechtigten Schmiergelder von insgesamt einer Million Dollar angeboten haben, damit sie ihm ihre Stimmen bei der Wahl geben. Diesen Vorwurf hatte Bin Hammam zurückgewiesen. Der Präsident des Fußballverbandes von Puerto Rico bestätigte in einer E-Mail am Sonntag an Generalsekretär Valcke, "Geschenke und 40.000 US-Dollar" während des Treffens erhalten zu haben.

Bin Hammam kündigte am Montag Einspruch gegen seine Suspendierung an. Er werde bestraft, bevor er schuldig gesprochen sei, erklärte er. Deswegen habe er beantragt, dass die FIFA am Dienstag - also noch vor der Wahl zum FIFA-Präsidenten - über seinen Widerspruch entscheiden solle.

Platini schließt Wahlboykott nicht aus

In der arabischen Welt sorgte der vorläufige Ausschluss Bin Hammams für Ärger. Mehrere ägyptische Zeitungen vermuteten ein gezieltes Vorgehen Blatters gegen seinen Kontrahenten Bin Hammam. Wegen der aufgeheizten Stimmung schließt FIFA-Vizepräsident Michel Platini bei der Präsidentenwahl einen Boykott der asiatischen Mitglieder des Weltfußballverbandes nicht aus.

Platini erinnerte am Montag in Zürich daran, dass die asiatischen Mitglieder bereits 1999 aus Protest über die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften einem FIFA-Kongress ferngeblieben seien. "Ich weiß nicht, ob sie das wieder tun werden", sagte der UEFA-Präsident weiter.

Blatter selbst zeigte sich zuversichtlich. "Ich habe das schon einmal erlebt - und der Kongress ging weiter. Sie werden da sein, da bin ich sicher", sagte er. Ausführlich wollte sich Blatter am Montagabend (18 Uhr) zu den Vorgängen äußern.

Insgesamt sollen am Mittwoch 208 Länder einen neuen FIFA-Präsidenten wählen, darunter 46 Vertreter aus Asien.

Pressekonferenz am Dienstag

Der vom ehemaligen Exekutivmitglied Jack Warner angekündigte Tsunami beim Fußball-Weltverband FIFA steht offenbar kurz vor dem Ausbruch. Nach Informationen des Sport-Informations-Dienstes (SID) findet am Dienstag (14.00 Uhr) in einem Züricher Nobelhotel eine mit Spannung erwartete Pressekonferenz statt, auf der vier Exekutivmitglieder beschuldigt werden, für die Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 an Katar insgesamt 20 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern kassiert zu haben.

Ein ehemaliger FIFA-Offizieller will auf der Pressekonferenz die Namen der vier Mitglieder nennen. Zudem sollen Dokumente und Bankkonten veröffentlicht werden, die die Geldflüsse beweisen sollen. Bei den Beschuldigten soll es sich um Issa Hayatou, Nicolas Leoz, Julio Gordona und Rafael Salguero handeln.(dapd/sid)