Essen. Nicht immer ballt sich in den Spitzenpositionen der Spitzenklubs im europäischen Fußball Sachverstand. Eine Kolumne.
Florentino Perez hat sich in dieser Woche wieder einmal sehr verdient gemacht. Nicht um den Fußball, Gott bewahre. Aber immerhin um die Unterhaltung vieler Menschen. Sie werden sich dunkel erinnern: Perez, der Präsident von Real Madrid, war einer der Bannerträger der Super League, die in der Nacht auf Montag auftauchte und keine 48 Stunden später schon wieder implodiert war.
Zielsicher von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen
So ein Projekt ist keine Kleinigkeit, damit bringt man mal eben den gesamten europäischen Fußball ins Wanken. Das sollte professioneller vorbereitet sein als, sagen wir: die Eröffnung einer Bäckerei-Filiale in Wanne-Eickel. Mit teurer PR-Kampagne, Mediengesprächen, populären Werbegesichtern. Die Macher der Super League hatten: nichts. Nur eine inhaltsarme Website. Und Perez, der zielsicher von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen stolperte. Er ließ offen durchblicken, dass Real die Super League brauche, um nicht pleite zu gehen, während der Klub parallel die Verpflichtung von David Alaba vorantrieb, dessen Gehaltsvorstellungen dem nicht gerade armen FC Bayern zu obszön gewesen waren. Kosten senken? Das ist was für Amateure.
Und nun verkündet Perez noch immer, dass das Projekt gar nicht erledigt sei – und erinnert damit an den als Comical Ali bekanntgewordenen irakischen Informationsminister, der während des dritten Golfkriegs 2003 noch im TV erklärte, es seien keine Amerikaner in Bagdad, als im Hintergrund schon US-Panzer durchs Bild rollten.
Dilettantismus und Größenwahn
Diese Mischung aus Dilettantismus und Größenwahn ist nicht untypisch für den Fußball – sie ist systemimmanent. Menschen wie der Bauunternehmer Perez werden ins Amt gewählt, weil sie teure Stars versprechen. Nicht weil sie sich besonders gut auskennen. In Deutschland kommen frühere Profis in Führungspositionen, weil sie sich in kurzen Hosen Legendenstatus erarbeitet haben. Immer wieder klagen Funktionäre hinter vorgehaltener Hand, dass die Ex-Spieler wirtschaftliche Zusammenhänge kaum durchdringen. Warum stellen sie sie dann trotzdem ein? Weil die Fans sie lieben.
Unterhaltsame Peinlichkeiten in der Chefetagen
Natürlich gibt es Gegenbeispiele: Gladbach, Freiburg und auch Dortmund sind exzellent geführt. Der FC Bayern hat über Jahre gut gearbeitet, auch wenn er gerade den Sextuple-Trainer Hansi Flick vergrault hat. Aber es gibt auch den Hamburger SV, Schalke 04 oder Hertha BSC, deren gesammelte Peinlichkeiten wir hier aus Platzgründen nicht einmal anreißen können. Aber, ganz ehrlich: Das ist für die Fans oft schmerzhaft, für alle anderen aber saumäßig unterhaltsam. Und auch das macht den Fußball so populär: Perfektion wird schnell langweilig. In diesem Sinne: danke, Florentino.