Essen. Ein Schuss reicht für die Ewigkeit. Am Montag wird WM-Held Andreas Brehme 60. Eine Kolumne über Ruhm, Bedeutung und Gerechtigkeit.
Ungnädig fiel 1976 der Bannstrahl einer ganzen Nation auf Uli Hoeneß, weil dieser bei der EM im früheren Jugoslawien im Finale gegen die Tschechoslowakei vom Elfmeterpunkt den einen entscheidenden Ball in den Nachthimmel von Belgrad geschossen hatte. Vierzehn Jahre später. Im italienischen WM-Glutsommer sicherte sich ein anderer Spieler einen Platz in der Ruhmeshalle des Fußballs und, das könnte man ungerecht nennen, für wenige Sekunden Arbeit unverhältnismäßig große Verehrung.
Ein Treffer gegen Argentiniens Elfmeter-Killer
Dass Andis Brehme, der an diesem Montag 60 Jahre alt wird, bei seinem verwandelten Strafstoß gegen Argentinien gegen den, so der damalige TV-Kommentator Gerd Rubenbauer, „echten Elfmeterkiller“ Sergio Goycochea bei aller Konzentration eine gewisse Lässigkeit an den Tag legte, verstärkte den Glanz der Tat.
Dass ausgerechnet Andreas Brehme aus Hamburg-Barmbek zum unvergessenen WM-Helden werden sollte, schien dabei gänzlich unwahrscheinlich. Hießen die Stars der WM doch Matthäus, Völler, Littbarski oder Klinsmann. Dabei war Brehme schon längst wer, spielte bei Inter Mailand, war wenige Jahre zuvor bei seinem Wechsel vom 1. FC Kaiserslautern zum FC Bayern München mit einer Ablöse von zwei Millionen D-Mark Rekordtransfer eines deutschen Spielers innerhalb der Bundesliga gewesen.
Ruhm und Bedeutung
Vor allem, weil Brehmes Schuss zum Titel führte, ist er unvergessen. Bedeutend wurde ein anderer. Andi Brehme führte nach Titelschuss und Ende der Karriere ein vergleichsweise unauffälliges Leben. Der Himmelsschütze von 1976 dagegen verschaffte sich nicht nur als Weltmeister von 1974 Ruhm, sondern vor allem als Baumeister des modernen FC Bayern Geltung. Auch im Ruhestand ist Uli Hoeneß fast täglich im Gespräch.
Der Treffer vom Punkt wird vorausgesetzt
Der Vergleich der beiden, Brehmes Volltreffer und Hoeneß’ Fahrkarte, deutet eine Ungerechtigkeit im Fußball an. Die Helden in dem Duell stehen in der öffentlichen Wahrnehmung auf der anderen Seite. Unter anderem Toni Schumacher 1982 im WM-Halbfinale gegen Frankreich, Andreas Köpke bei der EM 1996 im Halbfinale gegen England, Jens Lehmann und sein Zettel bei der Heim-WM 2006 gegen Argentinien wurden Elfmeter-Helden. Dabei haben die Torhüter nur wenig zu verlieren. Zum mit Häme übergossenen Deppen wird ein Fußballer allein mit einem Fehlschuss: Der Treffer vom Elfmeterpunkt wird vorausgesetzt. Andi Brehme fasste die Situation des Schützen einst so zusammen: „Wenn du am Punkt stehst und auf den Pfiff wartest, wird das Tor immer kleiner und der Torwart immer größer.“
Zwischen Verehrung und Verachtung liegt gerade beim Fußball nur ein schmaler Spalt; manchmal ist der ziemlich genau elf Meter breit.