Düsseldorf. Die deutsche Auswahl trifft in der letzten Partie des Jahres auf die Elfenbeinküste. Stefan Kießling will sich zeigen. Alle wollen sich zeigen in der Schalker Arena. Im Konkurrenzkampf.

Philipp Lahm hat schon seinen 26. Geburtstag gefeiert, man sieht es ihm nur nicht an. Lahm, der kleine Lahm, wie er gerne genannt wird, wäre noch immer eine gute Besetzung für eine Rolle in einer Neuverfilmung eines Jugendbuchs von Erich Kästner. Ob es ein Problem für ihn ist, dass er optisch eher dem Pünktchen-Kumpel Anton nahe kommt als einer Figur aus dem Charakterfach, weiß man nicht. Zumindest Michael Ballack, Jürgen Klinsmann und die Führung des FC Bayern München aber haben bereits erfahren, dass in einem Bübchenkopf kein Bübchen stecken muss.

Am heutigen Mittwoch wird Lahm bei der Freundschaftspartie der Nationalelf gegen die Auswahl der Elfenbeinküste (20.45 Uhr, ARD) als Vertreter des angeschlagenen Ballack die Kapitänsbinde auf den Rasen der Schalker Arena tragen. Am Dienstag hat der Verteidiger in Düsseldorf bei der üblichen Vorab-Pressekonferenz souverän Fragen nach seiner letzten Attacke abgeblockt. „Ich glaube“, hat er gesagt, „es ist nicht der richtige Augenblick, um über Bayern zu sprechen.“

Stefan Kiessling (l.) und Bundestrainer Joachim Loew auf dem Trainingsplatz. Foto: Lennart Preiss/ddp
Stefan Kiessling (l.) und Bundestrainer Joachim Loew auf dem Trainingsplatz. Foto: Lennart Preiss/ddp © ddp

So macht man das, wenn man ein Könner ist, der eine Botschaft schon am Wachpersonal des Arbeitgebers vorbei in einem spektakulären Interview platziert hat. Diesmal ging es um Defizite, die Lahm bei den Klubstrategen erkannt haben will. Im Herbst 2008, nach der EM, ging es um von Lahm erspürte Defizite Ballacks bei der Interpretation des Kapitänsamts. Und als Klinsmann Trainer der Bayern war, da ging es bereits sehr früh in der Saison 2008/2009 um Defizite, die Lahm im taktischen Verständnis des ehemaligen nationalen Coaches entdeckt haben wollte.

Geschadet hat das alles Lahm nicht. Er wird von Bundestrainer Joachim Löw gelobt dafür, dass er mitredet, dass er Stellung bezieht. Stefan Kießling dagegen wird von Teammanager Oliver Bierhoff dafür gelobt, dass „er sich nicht hat locken lassen“, seinerzeit, vor der entscheidenden WM-Qualifikationsbegegnung mit den Russen, als der Stürmer aus Leverkusen in der Bundesliga mit Toren aufgefallen war und von diversen Medien beklagt wurde, dass Löw ihn nicht in den Elitekreis aufgenommen hatte. Als Profi gewinnt man eben nicht nur auf dem Platz. Wer seine hierarchische Situation richtig einschätzen kann und über ein feines Näschen für die politischen Gestaltungsmöglichkeiten in eigener Sache verfügt, der ist immer im Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Die Belohnung für beharrliches Verweisen darauf, dass allein der Trainer über Nominierung oder Nicht-Nominierung zu entscheiden habe, dass er selbst nur die Leistung sprechen lassen könne, empfängt Kießling heute. Er wird sein drittes Länderspiel bestreiten, von Anfang an, inklusive Nationalhymne. Diesen Gefühls-

schauder wird auch Tim Wiese erfahren, auf dem Grün, was wichtig ist. Obwohl die Partie in Gelsenkirchen ausgefochten wird, darf der Bremer in der ersten Halbzeit ins Tor und Manuel Neuer, der Schalker, muss sich damit begnügen, in der zweiten Halbzeit eingewechselt zu werden.

Erlebnis Nationalhymne

Bierhoff hat erklärt, warum. Damit „der Tim mal von Beginn an dabei” ist, damit er auch einmal „die Hymne miterleben“ kann von dieser zentralen Position aus. Rene Adler, der sich derzeit am nächsten dran fühlen darf an der Nummer eins der Torhüter, ist ja verletzt, und Robert Enke, der sich vor Adler am nächsten dran fühlen durfte, Robert Enke ist tot. Für Wiese und für Neuer bleibt es einfach weiterhin von Bedeutung, sich präsentieren zu können. Geändert haben sich allerdings die Eckdaten, sportlich betrachtet sogar erheblich.

Natürlich ist auch über Robert Enke geredet worden in Düsseldorf, über dessen tragische Selbsttötung, über die überschatteten Tage danach. Lahm hat gesagt, dass es richtig gewesen sei, auf das Spiel gegen Chile zu verzichten, um der Trauer Raum zu gewähren. Er hat aber auch gesagt, dass „es wieder losgehen muss“: „Trotzdem“, hat er gesagt, „ist es ja ein Test für die WM. Jeder kämpft um seinen Platz.“ Im Tor, in der Abwehr, im Mittelfeld, in dem für den Einsatz gegen das Ensemble aus Afrika noch nicht klar ist, wer Ballack ersetzen soll, und im Angriff. Fünf Plätze, hat Kießling vorgerechnet, seien im Kader für die WM wohl für die Stürmer reserviert. „Für mich”, hat er hin- und hergerissen, hat er irgendwie die Realität mit Bedauern akzeptierend verkündet: „Für mich ist es nun mal eine Chance, mich zu zeigen.“