Essen. 8,04 Millionen saßen am Samstag vor dem TV-Gerät und schauten sich das Länderspiel Deutschland gegen Südafrika an. Früher war die DFB-Elf für zehn Millionen gut. Unser Kolumnist Manni Breuckmann befasst sich mit der Frage, ob es eine Nationalmannschafts-Müdigkeit gibt.

Am Samstagabend geriet ich in eine merkwürdige Situation: Ich fuhr mit dem ICE an einem Stadion vorbei, in dem gerade die Nationalmannschaft spielte. Aber glauben Sie mal nicht, ich hätte mit heißem Herzen und heißen Ohren unter den Kopfhörern gesessen und der Radio-Reportage gelauscht. Nein, ich habe ein gutes Buch gelesen. Weil mich nämlich das Spiel nicht so besonders interessiert hat.

Zu Hause angekommen habe ich mir dann doch noch die letzte halbe Stunde im TV angeguckt. Béla Réthy vom ZDF hat mich mit ein paar wichtigen Infos versorgt: Dass Nelson Mandela in der südafrikanischen Stadt Orlando geboren wurde, oder dass der Torwart der Afrikaner mal von einer giftigen Spinne gebissen und daran fast gestorben wäre.

Das Spiel? Nun ja, Adler hielt klasse, Özil wird immer besser, Löw probierte neue Varianten aus. Aber muss ich damit einen kompletten Samstagabend füllen? Viele Fernsehzuschauer hatten auch Besseres vor: 8,04 Millionen sind eine beachtliche Quote, aber die Nationalmannschaft war früher immer für zehn Millionen gut.

Einige Kommentatoren basteln aus diesen Fakten und Befindlichkeiten gleich einen Trend: die große, bedrohliche Nationalmannschafts-Müdigkeit. Welch ein Schwachsinn! Die Wahrheit ist unspektakulär: Die Fans sind schlicht wählerisch geworden angesichts des Fußball-Überangebots. Wenn es um nichts geht, wenn der Gegner unattraktiv ist, und wenn die Erinnerungen an grausige „Testspiele” Schlimmes befürchten lassen, dann haben Kneipe und Kino gute Siegchancen gegen das TV-Sofa.

Für ein Katastrophen-Szenario taugt das nicht, und heute Abend, beim aufregenden Quali-Spiel gegen Aserbaidschan, sitzen wir selbstverständlich alle wieder auf der Polstergarnitur, liebe Nationalmannschaft. Versprochen!