Frankfurt/Essen. . Wolfgang Niersbach begründet seinen DFB-Rücktritt mit neuen Erkenntnissen über Zahlungen vor der Vergabe der WM 2006. Konkreter wird er jedoch nicht.
Joachim Löw reagierte „sehr betroffen“. Der Bundestrainer, der die deutsche Nationalmannschaft in München auf das Länderspiel am Freitag in Frankreich vorbereitet, hatte soeben vom Rücktritt Wolfgang Niersbachs als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes erfahren. Er sei „überrascht und sehr traurig“, meinte Löw und verneigte sich vor dem langjährigen Weggefährten: „Unabhängig von allen juristischen Fakten, die es gibt, denke ich einfach, dass der Wolfgang ein fantastischer Präsident für uns war.“
Auch interessant
Noch im Sommer 2014 strahlten Löw und Niersbach gemeinsam, als die deutsche Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft in Brasilien gewann. Nach dem Skandal um den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter und den Uefa-Präsidenten Michel Platini schien Niersbach sogar ein geeigneter Kandidat für höchste internationale Fußball-Ämter zu sein. Am Montag aber gab der 64-Jährige auf.
Rauball und Koch übernehmen
Er habe sich persönlich nichts vorzuwerfen, erklärte Niersbach, er habe „absolut sauber und gewissenhaft gearbeitet“. Es seien „Dinge passiert, die in den vergangenen Tagen aufgedeckt wurden“, die ihn zu diesem Schritt veranlasst hätten. Damit steht nach Ermittlungen der vom DFB mit Untersuchungen beauftragten Wirtschaftskanzlei Freshfields eine entscheidende Frage im Raum: Hat sich der Verdacht der Existenz einer schwarzen Kasse im Vorfeld der dann nach Deutschland vergebenen WM 2006 erhärtet?
Genau diese Frage quält nun auch die DFB-Vizepräsidenten Reinhard Rauball und Rainer Koch, die satzungsgemäß die Aufgaben des DFB-Präsidenten übernommen haben. Koch befeuerte schlimme Befürchtungen, indem er sagte: „Wir müssen feststellen, dass die Kanzlei Freshfields eine Reihe von Punkten zu Tage gefördert hat, die weiterer Aufklärung bedürfen.“ Der Verband müsse sich „mit der Frage, unter welchen Umständen die WM 2006 vergeben worden ist, näher befassen“.
DFB nimmt Anzeige gegen den "Spiegel" zurück
Eine zentrale Rolle in genau dieser Frage spielt Franz Beckenbauer, der damalige Präsident des WM-Organisationskomitees. Während Niersbach, zu jener Zeit OK-Vizechef, schon vor Wochen öffentlich zu den Vorwürfen Stellung bezog, räumte Beckenbauer lediglich ein, dass die Zahlung der ominösen 6,7 Millionen Euro an die Fifa „ein Fehler“ gewesen sei. Beckenbauers bisheriges Schweigen löst in der DFB-Spitze Kritik aus. „Es ist höchste Zeit, dass er sich mehr in diese Sache einbringt“, sagte Rainer Koch im ZDF. „Er kann uns darüber aufklären, was damals passiert ist.“
Auch interessant
In diesem Zusammenhang hat der DFB die ursprüngliche Anzeige gegen den Spiegel zurückgenommen. Das Nachrichtenmagazin hatte berichtet, dass für den Zuschlag der WM 2006 Geld aus einer schwarzen Kasse des Bewerbungskomitees geflossen sei, um damit vier entscheidende Stimmen im Fifa-Exekutivkomitee zu kaufen. Das Geld soll vom ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus gekommen sein. Diesen Bericht hatte der DFB zunächst als haltlos zurückgewiesen.
Es gebe keine Erkenntnisse dafür, dass Niersbach in die fragwürdigen Vorgänge involviert gewesen sei, betonte Übergangs-Chef Koch, und auch sein Kollege Rauball stellte klar, Niersbachs Rücktritt sei „keine persönliche Entscheidung im Sinne eines Schuldbekenntnisses“.
Die Nachfolger-Suche läuft
Auch interessant
Gegen Niersbach, seinen Vorgänger Theo Zwanziger und den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Niersbach wird seine Posten in den Exekutivkomitees der Uefa und der Fifa behalten. Das Präsidium habe ihn darum gebeten, „um sein überragendes Netzwerk dem deutschen Fußball zukünftig zur Verfügung zu stellen“, sagte Rauball.
Der Dortmunder Jurist und BVB-Präsident gilt als möglicher Nachfolger für Niersbach. Rauball, der im Dezember 69 Jahre alt wird, könnte dieses Amt wegen der Altersbeschränkung zwar nur rund ein Jahr ausüben. Dies wäre allerdings für den erschütterten Verband Zeit genug, um sich für die Zukunft neu aufzustellen.