Paderborn. . Nach vier Spieltagen Spitzenreiter in der Fußball-Bundesliga. Trotz wirtschaftlicher und infrastruktureller Nachteile mischt der SC Paderborn das Oberhaus auf. Am Dienstagabend trifft Coach André Breitenreiter mit dem Aufsteiger auf Bayern München - und will für die nächste Überraschung sorgen.

Beruflich läuft bei André Breitenreiter alles wie geschmiert, nur mit den Fortbewegungsmitteln hatte Paderborns Trainer zuletzt Pech. Vor zehn Tagen klauten ihm Halunken vor der Haustür alle vier Reifen an seinem Dienstwagen. Und als der gebürtige Niedersachse nach dem 2:0 gegen Hannover zusammen mit SCP-Manager Michael Born ins Aktuelle Sportstudio nach Mainz flog, musste der Pilot in Frankfurt-Hahn eine Notlandung einlegen. Wegen eines Gewitters.

Dabei haben die Paderborner in ihren ersten vier Spielen als Bundesligist selbst schon für einige Blitzeinschläge gesorgt. Der Aufsteiger ist noch immer unbesiegt, tritt am Dienstag als Überraschungs-Spitzenreiter bei den punktgleichen, aber um zwei Tore schlechteren Bayern an – und hat den Münchnern zumindest aus der Ferne schon mal das Gruseln gelehrt: „Wir müssen höllisch aufpassen“, warnt Abwehrchef Jérôme Boateng. „Wir wissen, dass es gegen sie gefährlich ist“, sagt Torhüter Manuel Neuer. Und Offensivmann Thomas Müller fügt hinzu: „Dieser Start war nicht zu erwarten.“

„Fahren nicht dorthin, um Fotos mit den Weltmeistern zu machen“

Doch: Die Paderborner haben rasch erkannt, dass sie ihren Gegnern trotz zum Teil gravierender wirtschaftlicher und infrastruktureller Nachteile nicht hilflos ausgeliefert sind. „Die Jungs zeigen Woche für Woche, dass sie mithalten können. Sie sind sehr fit und sie wissen, was sie zu tun haben. Das alles zusammen macht sie so selbstbewusst“, erklärt Breitenreiter – und betont vor dem Gipfel-Duell in München: „Wir fahren nicht dorthin, um Fotos mit den Weltmeistern zu machen.“

Der 40-Jährige wird gerne mal in die Verlosung geworfen, wenn, wie vor einer Woche in Hamburg oder im Frühjahr in Frankfurt, die Cheftrainersessel neu zu besetzen sind. Aus gutem Grund – denn der frühere Mittelfeldspieler macht aus seinem ausgeprägten Ehrgeiz kein Geheimnis. Sein Urteil über den SCP als „krassester Außenseiter aller Zeiten“ und der Hang, immer wieder auf die vergleichsweise dürftigen Arbeitsbedingungen beim Neuling zu verweisen, zeigt dabei zweierlei: Breitenreiter kokettiert zwar mit dem Image des furchtlosen Drachentöter-Coaches, den entsprechenden Stempel will er aber keineswegs sein Trainerleben lang tragen.

Mittwochs wird zusammen gegrillt

„Perspektivisch würde ich mich gerne auch mal anders ausprobieren“, sagte vor dem Aufstieg im Gespräch mit dieser Zeitung. Und als der Coup mit Paderborn vollbracht war, achtete er genau darauf, dass seine personellen Vorstellungen von der Klubführung auch umgesetzt wurden. Breitenreiter, der auch schon als Scout oder für eine Sportagentur arbeitete, wollte in Paderborn „nicht der Depp“ sein. Sondern: „Ich wollte sichergehen, dass wir eine ausreichende Basis für erfolgreichen Fußball haben.“

Neid auf das viele Geld anderer Klubs ist dem 144-maligen Bundesligaspieler allerdings fremd. Stattdessen verlangt er von seinen Profis neben einer gewissen Demut ausgeprägtes Teambewusstsein – und achtet zudem auf gute Stimmung im Trainingsalltag. Nicht ohne Grund treffen sich die Paderborner jeden Mittwoch zum Grillen.

„Er weiß, wie er uns packen kann – und ist zwischendurch auch mal ein guter Freund“, berichtet Innenverteidiger Uwe Hünemeier. Wo André Breitenreiter dieser Führungsstil noch hinführt, wird sich zeigen. Beim TSV Havelse hörte er auf, weil ihm die Möglichkeiten dort nicht mehr genügten. Jetzt sagt der Mann, der den DFB-Fußballlehrerlehrgang im März 2013 als Drittbester seines Jahrgangs abschloss: „Der entscheidende Grund, warum ich hier bin, ist die Philosophie des Vereins – mit jungen, leistungswilligen Spielern zu arbeiten, sie zu verbessern, um sie für den eigenen oder auch für andere Vereine – in Form von Transfererlösen – interessant zu machen.“

Und wenn das irgendwann auch für ihn selbst gelten sollte – umso besser.