Rheinbreitbach. . Serie: 50 Jahre Fußball-Bundesliga. Heute: Die Saison 1966/67. Hans Dörre, der Mittelfeldrenner der Rot-Weissen, ackerte auf dem Rasen wie der Weltmeister von 1966. Als einziger Essener stand er in allen sieben Erstliga-Spielzeiten auf dem Platz.

Hans Dörre, der ein Leben lang der „Hansi“ war, ist kein Mensch, der in der Vergangenheit lebt. Im November dieses Jahres wird er 67 Jahre alt. Doch an Ruhestand denkt er nicht. „Ich muss immer etwas zu tun haben“, sagt er. Und da sein Chef den „Hansi“ auch für unabkömmlich hält, macht Dörre zumindest in diesem Jahr als Betriebsleiter einer Druckerei weiter. „Zeit für ein Interview? Gern. Aber dann in der Mittagspause“, bittet er am Telefon.

In seinem Haus in Rheinbreitbach in der Nähe von Bad Honnef präsentiert der gebürtige Essener dann dem Besucher mit zurückhaltendem Stolz, dass er in einem früheren Leben schon einmal großen beruflichen Erfolg hatte. Im Partykeller hängen ein Dutzend Bilder – die meisten in Schwarz-Weiß.

Auf einem schon ein wenig vergilbten Zeitungsausschnitt prangt die Überschrift: „Der kleine Hansi war der große Star beim 3:1 über Stuttgart“. Es ist eine Erinnerung an den 14. Dezember 1974, als Rot-Weiss Essen die Stuttgarter im Georg-Melches-Stadion beherrschte. Torschützen für den Traditionsklub aus dem Revier waren Manni Burgsmüller, Willi Lippens und der Kleinste auf dem Platz: Hansi Dörre.

Dörre stand in allen sieben Erstliga-Jahren auf dem Platz

Nicht die prominenten Torjäger Lippens, Burgsmüller oder Horst Hrubesch. Und auch nicht der Liga-Dauerbrenner Dieter Bast ist der einzige RWE-Akteur, der in allen sieben Essener Erstliga-Spielzeiten auf dem Rasen stand, sondern der 1,66 Meter große Dörre.

Ein echter Essener Junge, der schon als Kind Mitte der Fünfziger Jahre bis 1977 das Trikot der Rot-Weissen trug. 256 Mal lief Dörre für seinen Klub auf, er erzielte zwölf Treffer. Die RWE-Fans liebten ihren Hansi. Er hatte zwar nicht so einen Zauberfuß wie sein Teamkollege Nobby Fürhoff, er hatte auch nicht den Torinstinkt eines Hrubesch, eines Lippens. Aber er arbeitete den Fußball so, wie es damals viele Anhänger des Ruhrpott-Klubs auf Zechen oder Hütten taten: mit vollem Einsatz.

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Dörre war der Typ Terrier, der dem gegnerischen Spielmacher notfalls auch auf die Toilette gefolgt wäre. Er war so etwas wie der Nobby Stiles von Essen. Im Gegensatz zum englischen Nationalspieler ohne WM-Titel, aber dafür mit Zähnen. „Der begnadete Techniker war ich nicht“, sagt er, „aber ich war auch kein Klopper. Ich habe kein einziges Mal in meiner langen Laufbahn eine Rote Karte erhalten.“

Wenn Franz Krauthausen, ehemals Leistungsträger beim Revier-Rivalen Rot-Weiß Oberhausen, nach seinem unangenehmsten Gegenspieler gefragt wird, dann schwelgt er sofort in höchsten Tönen von den kämpferischen Qualitäten des Hansi Dörre. Die genialen Techniker lagen Dörre, weil sie zu damaligen Zeiten eher zu den lauffaulen Spielern zählten. Günter Netzer hatte ebenso Schwierigkeiten mit seinem kleinen Verfolger wie Stuttgarts Österreicher Buffy Ettmayer.

Erster Profivertrag - „80 Mark habe ich im Monat erhalten“

Als der Mittelfeldrenner mit Essen 1966 endlich den ersehnten Aufstieg in die Bundesliga schaffte, durfte er seinen ersten Profivertrag unterschreiben. „80 Mark habe ich im Monat erhalten“, erinnert sich Dörre und kann ein Schmunzeln nicht verbergen, „das war auch für damalige Zeiten sehr wenig.“

Aber Hansi hatte gerade erst den Sprung in die erste Mannschaft geschafft und musste sich erst hochdienen. „Später habe ich so um die 50 000 Mark pro Saison erhalten“, sagt Dörre, „nur zum Vergleich, Lippens oder Hrubesch haben schätzungsweise 200 000 Mark kassiert.“

Dörre beklagt sich nicht. Und er ist auch kein bisschen neidisch auf die heutigen siebenstelligen Euro-Honorare seiner Nachfolger. „Ich habe mich gefreut, wenn unser Präsident in die Kabine kam und schon mal 300 Mark in bar als Prämie auszahlte“, erinnert er sich, „dann habe ich meine Frau zum Essen eingeladen und wir haben uns einen tollen Abend gemacht.“

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In seinen Jahren bei den Rot-Weissen hat Dörre schöne und weniger schöne Zeiten erlebt. Der Euphorie über den Aufstieg 1966 in Deutschlands Eliteliga folgte der sofortige Abstieg. Gleich im ersten Bundesligaspiel fegten die Essener im Revierduell den FC Schalke mit 4:1 weg. Das Georg-Melches-Stadion erlebte Festtage.

Zum Beispiel, als der FC Bayern München mit den Stars Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier 3:1 vom Platz geschickt wurde. Aber nach dem starken Start brachen die Essener in der Hinrunde völlig ein, gewannen in den letzten 21 Spielen nur noch einmal und stiegen ab. Zweimal schaffte Dörre mit RWE die Rückkehr ins Oberhaus, ehe er nach dem erneuten Abstieg 1977 seine Heimat verließ.

Nicht ganz freiwillig, doch Trainer Diethelm Ferner setzte nicht mehr auf den beliebten Renner. Dörre nahm ein Angebot des damaligen Oberligisten FV Bad Honnef an. Sportlich hatte er Pech, weil er sich wegen eines Achillessehnenabrisses seine Karriere schon nach zwölf Monaten beendete. Beruflich fand er sein Glück in der nahe gelegenen Druckerei. Bis heute. Hansi Dörre ist halt ein Dauerbrenner.