Geldern. . Hartmut Heidemann fing in der C-Jugend der Duisburger an und schaffte es im Zebra-Trikot bis in die Nationalmannschaft.

Dies ist eine Geschichte über eine Tugend, die in der heutigen Zeit im Profifußball nicht mehr gefragt ist: Vereinstreue.

Hartmut Heidemann (71) öffnet die Tür seines Einfamilienhauses in Geldern. „Wir sind vor 40 Jahren hierher gezogen“, sagt er. „Seitdem wohnen wir hier.“ Die Heidemanns sind eine Familie, in der Bodenständigkeit eine Hauptrolle spielt.

Heidemann kam im Duisburger Stadtteil Meiderich zur Welt, er spielte auf den Straßen Fußball, dann kam er in einen Verein: Natürlich den Meidericher Spielverein. „Angefangen habe ich in der C 3“, erzählt er. „Damals gab es doch soviele Jungs, die Fußball spielen wollten“, Also kam er zunächst in die dritte Mannschaft der C-Jugend.

Heidemann machte eine Ausbildung zum Sandformer und arbeitete neben dem Fußball acht Jahre in den Eisenwerken Meiderich. Mit ihm arbeiteten dort MSV-Kapitän Günther Preuß und Verteidiger Werner Lotz. „Wenn du mit den Jungs arbeitest, Fußball spielst und auch noch in einem Stadtteil wohnst, entsteht ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, das heute kaum noch jemand kennt“, sagt Heidemann.

Über 600 Spiele hat er seit der Jugend im Trikot mit den Zebrastreifen absolviert. In seinen 24 Jahren im Verein hat er Trainer kommen und gehen sehen, aber der beste war für ihn: Guyla Lorant. Der gebürtige Ungar trainierte den MSV in der Saison 1967/68, und Heidemann lobt: Er war im taktischen Bereich meilenweit vor allen anderen.“

Auf der anderen Seite: „Menschlich war er ein schwieriger Typ, sehr auf sich bezogen. Aber ich war damals Stammspieler, und das machte für mich vieles einfacher.“

Es war aber auch die Zeit, in der andere Klubs den rechten Verteidiger vom MSV abwerben wollten. Die Schalker hatten ihm ein Angebot gemacht. „Ich hatte nie im Leben einen Berater oder einen Manager“, so Heidemann. 1968 saß er daher in der Wohnung beim Schalker Trainer Rudi Gutendorf und verhandelte über einen Wechsel. „Schalke hatte finanziell ganz andere Möglichkeiten“, sagt Heidemann. Aber der Wechsel zerschlug sich. Auch die Nürnberger, die 1968 den Titel holten, wollten ihn verpflichten. Heidemann hörte sich alles an, winkte dann aber ab.

„Wir hatten uns doch privat in der Gegend eine Menge aufgebaut, da wäre Nürnberg gar nicht in Frage gekommen“, meint er. „Schalke hätte funktioniert, doch der MSV bekam Wind von den Verhandlungen und legte finanziell nach. Da habe ich sofort zugesagt, irgendwie war der Verein doch damals mit meinem alten Freunden wie eine Familie für mich.“

Im Nachhinein hätte ein Wechsel vielleicht sogar Sinn gemacht. Heidemann hat über seiner Telefonecke im Flur drei Mannschaftsfotos aufgehängt. Es sind die Bilder von seinen drei Länderspielen, die er absolviert hat. „Als Duisburger hatte man es schwer, in der Nationalmannschaft zu kommen“, sagt er. „Bei einem größeren Verein wie zum Beispiel Schalke wäre die Lobby sicher größer gewesen und statt der drei Länderspiele hätte ich vielleicht 15 oder 20 geschafft.“ Heidemann ist darüber allerdings nicht traurig, es ist einfach so, wie es ist.

Die Zeit war eine andere. Damals rief der Bundestrainer noch persönlich bei den Spielern an, um sie über eine Nominierung zu informieren. Daraus entstand ein kleines Problem. Heidemanns Frau Ella erzählt die Geschichte von 1968 selbst.

„Wir wohnten in Mülheim, und es war eine Zeit, in der ich immer wieder merkwürdige Anrufe bekam, wenn mein Mann mit dem MSV unterwegs war.“ So klingelte auch an diesem Morgen das Telefon. „Schön“ sagte jemand am anderen Ende der Leitung. Und Ella Heidemann antwortete: „Genau, schön wie der junge Morgen!“ Pause am anderen Ende, dann: „Ähm, Schön hier, Helmut Schön.“

Der Bundestrainer wollte Heidemann zu einem Länderspiel einladen und wirkte irritiert. „Er hat aber später nochmal angerufen, und die Sache hat sich aufgeklärt“, lacht Hartmut Heidemann, der doch noch nominiert wurde.

Wunderbar auch die Anekdote mit Manfred Manglitz. Beim Auswärtsspiel in Kaiserslautern schaute der Torwart mehr auf die Zuschauer auf der Tribüne als auf den Ball. Von der Trainerbank handelte er sich dafür lautstarke Kritik ein: „Konzentrier dich, Langer!“ brüllte der Coach. Vergeblich, Manglitz starrte weiter in die Zuschauer und fing sich einen Befreiungsschlag von der Mittellinie. Der Ball setzte vor ihm auf, drin: 1:0 für Lautern, der Endstand. In der Kabine gab es eine Schreierei, und Manglitz fuhr beleidigt im Taxi nach Hause. „Montags kam er dann kleinlaut zum Training und hat für jeden von uns zur Entschuldigung einen Sekt-Piccolo mitgebracht.“ Heidemann lacht. War eine schöne Zeit damals.