Emmerich.. Serie 50 Jahre Bundesliga, Saison 1978/79: Bochum erreicht Platz acht und hält Schalke und Dortmund auf Distanz. Jupp Tenhagen ist damals noch für den VfL am Ball, weil er ein Angebot des FC Bayern ablehnte, der einen Nachfolger für Franz Beckenbauer suchte. 1981 rettet der Mann vom Niederrhein seinen Verein durch einen Wechsel zum BVB.

Millionen-Ablöse? Ausstiegsklausel? Beraterprovision? 1973 lief ein Transfer in der Bundesliga noch so ab: Rot-Weiß Oberhausen war gerade aus der Bundesliga abgestiegen, und weil der damals 20-jährige RWO-Spieler Franz-Josef Tenhagen so gut in die Regionalliga gepasst hätte wie die Rolling Stones auf die Bühne eines Dorfschützenfestes, schickte der VfL Bochum seinen Obmann Erwin Höffken los – mit einem großen Blumenstrauß. „Der war für meine Frau, und das wirkte natürlich“, sagt Franz-Josef Tenhagen, den die Fußballszene als Jupp kennt, und lacht dabei. „Der Stil des Vereins hat uns gefallen, das hat beim VfL gut funktioniert. Der Erwin hat vermutlich in seinem Leben viele Blumensträuße verteilt.“ Hand drauf: Der junge Mann vom Niederrhein wurde Bochumer.

Im Büro seines Sportfachgeschäftes in Emmerich hängt ein vergilbtes Mannschaftsfoto hinter Glas: Das Bochumer Aufgebot im Stadion am Schloss Strünkede in Herne, wo der VfL im Frühjahr 1976 wegen des Umbaus des Ruhrstadions spielen musste. Die Spieler gelten heute als legendär, weil sie eine Rezeptur für regelmäßig erfolgreichen Abstiegskampf erfunden hatten. Männer wie Hermann Gerland, Ata Lameck, Werner Scholz, Jupp Kaczor, Heinz-Werner Eggeling, Jürgen Köper, Dieter Versen und Harry Ellbracht prägten den VfL und seinen Ruf in den Siebzigern. Und der Beste von ihnen war Jupp Tenhagen.

Vorne im Verkaufsraum seines Geschäftes ist ein altes Nationaltrikot ausgestellt: noch aus Baumwolle, mit aufgenähtem Adlerwappen und mit Unterschriften. Den heute 60-Jährigen erinnert dieses Trikot an seine beste Zeit: 1977 wurde er Bochums erster Nationalspieler.

„Unser Lebensmittelpunkt war immer am Niederrhein“

Franz Beckenbauer wechselte in jenem Jahr in die amerikanische Operettenliga zu Cosmos New York, und Bayern-Trainer Dettmar Cramer war der Ansicht, dass der Mann vom VfL die Libero-Lücke in München hätte füllen können. „Das war reizvoll, meine Brust wurde auch ein bisschen breiter“, erzählt Jupp Tenhagen. „Aber meine Frau war damals nicht dazu zu bewegen, hier wegzugehen. Unser Lebensmittelpunkt war immer am Niederrhein.“

Jupp Tenhagen, geboren in Millingen, wohnt seit mehr als 30 Jahren in Haldern, beides sind heute Ortsteile von Rees. Hier waren und sind ihm viele Menschen wichtig. Cramer rief mehrmals an, es blieb beim Nein. „Ich habe dann auch nicht mehr lange gehadert“, sagt Jupp Tenhagen. Aber er weiß natürlich, was ihm entging: „Die Karriere wäre wahrscheinlich anders verlaufen. Als Bayern-Spieler hätte ich sicher ein paar Länderspiele mehr gemacht.“

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So blieben es nur drei. Allerdings durfte der Bochumer bei der Südamerika-Reise 1977 beim 1:1 gegen Brasilien in Rio spielen: im Maracana, vor 160 000 Zuschauern! „Ein Traum“, sagt Jupp Tenhagen. Er vergisst aber auch nicht zu erzählen, wie viel Freude ihm nach der Rückkehr von seinem ersten Länderspiel bereitet wurde, er hat sogar noch das Datum parat: „Es war der 30. April 1977, wir haben 2:1 in Belgrad gegen Jugoslawien gewonnen. Am 1. Mai wurde ich dann zu Hause in Millingen mit dem Tambourchor empfangen, eine Menge Leute waren da. Eine ganz dolle Geschichte.“

Vor der WM 1978 in Argentinien aber musste Jupp Tenhagen einen Tiefschlag verkraften. Nach dem Trainingslager in Malente wurde er ausgebootet, er erfuhr es, als im ZDF-Sportstudio das Aufgebot bekanntgegeben wurde. Bundestrainer Helmut Schön hielt das für ausreichend. „Er hätte so viel Kerl sein müssen, mir das persönlich mitzuteilen“, sagt Jupp Tenhagen. „Da kam kein Anruf, kein Schreiben, nichts. Aber wir Bochumer hatten ja auch keine Lobby, weil wir ja auch nie international gespielt haben.“

Das "Wir-Gefühl" beflügelte den VfL

Vor dem ersten Abstieg 1993 sprang für den ewigen Außenseiterklub nie mehr als der achte Platz in der Saison 1978/79 heraus. Auch damals schon galten Schalke 04 und Borussia Dortmund als die großen Reviervereine, aber: Dortmund wurde nur Zwölfter, Schalke gar nur Fünfzehnter. Jupp Tenhagen meint, es sei „das Wir-Gefühl“ gewesen, mit dem sich der VfL Vorteile verschafft habe. „Wir konnten sogar unsere Frauen zu Trainingslagern auf Gran Canaria und auf Sylt mitnehmen. Unser Präsident Ottokar Wüst hatte das forciert.“ Für so einen Verein geht man auch durchs Feuer. Notfalls bis nach Dortmund.

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1981 hatte der VfL mal wieder finanzielle Probleme, es drohte die Lizenzverweigerung. Und so boten die Bochumer einen Mann zum Verkauf an, der gar nicht weg wollte: Ausgerechnet am Tag der Eröffnung seines Sportgeschäftes wurde ein trauriger Jupp Tenhagen zu Borussia Dortmund transferiert. „Der VfL hatte keine andere Chance mehr“, sagt er heute und meint im Rückblick, auch beim BVB habe er „eine schöne Zeit erlebt“. Vor allem von Branko Zebec, dessen Wunschspieler er war, habe er viel gelernt – „auch für meine Trainerlaufbahn“.

Nach drei Dortmunder Jahren ging Jupp Tenhagen wieder zum VfL, die Rückkehr hatte er sich schon beim Wechsel vertraglich zusichern lassen. Zwei Jahre spielte er noch, zwei Jahre war er Co-Trainer, dann stieg er 1988 zum Cheftrainer auf. Der Haken: Der DFB verlangte einen Fußballlehrerschein.

Also besuchte Jupp Tenhagen in der Rückrunde die Sporthochschule Köln und war unter der Woche nicht bei seiner Mannschaft, Assistent Klaus Fischer leitete das Training. Bis September dauerte der Lehrgang, eine vernünftige Vorbereitung auf die neue Saison war nicht möglich. Der Vertrag wurde aufgelöst.

„Wäre das am Anfang anders gelaufen, hätte ich größere Chancen gehabt, im Geschäft zu bleiben“, meint Jupp Tenhagen. Er trainierte immerhin noch die Zweitligisten Fortuna Köln, Wattenscheid 09 und LR Ahlen, sein letztes Engagement endete 2011 beim Landesligisten SV Grieth. „Spaß gemacht hat es mir überall“, sagt er. Er zeigt auf die Bilder von seinen Enkelkindern, auch die haben Ehrenplätze an der Bürowand. Und dann sagt er diesen Satz: „Ich bin mit meinem ganzen Leben zufrieden.“