Dortmund.. Knut Reinhardt musste seine Karriere bei Borussia Dortmund im Alter von 32 Jahren nach mehreren Knieoperationen beenden. Er ging zur Uni, studierte und arbeitet heute als Grundschullehrer in Dortmund.
An Tagen wie diesen kommen dann doch die Erinnerungen hoch. Am 25. Mai 2013, einem Samstag, stand Borussia Dortmund im Endspiel der Champions League. Gegner in London war der FC Bayern München. Das Ende ist bekannt. Gleiches gilt für den 28. Mai 1997. Auch damals stand Borussia Dortmund im Endspiel der Champions League. Nicht gegen, aber in München. Der Gegner hieß Juventus Turin. Zuschauer, damals 1997 wie 2013: Knut Reinhardt.
1997 war Reinhardt Profi von Borussia Dortmund, stand in München aber nicht im Kader und saß im Anzug auf der Tribüne. „Ich war wahnsinnig enttäuscht und traurig.“ 2013 ist aus ihm ein BVB-Fan geworden, der vor dem Fernseher mitfieberte. Knut Reinhardt hat einen neuen Beruf, der gleichzeitig eine Berufung ist und hinter dem eine besondere Geschichte steckt.
Karriere-Ende mit 32 Jahren
Als Fußball-Profi hatte der gebürtige Rheinländer so richtig abgeräumt. Mit Bayer Leverkusen gewann er den Uefa-Pokal. Mit Borussia Dortmund wurde er zwei Mal Meister, Champions-League-Sieger, holte den Weltpokal. Reinhardt war Nationalspieler, kam auf knapp 300 Erstliga-Einsätze. Eine Karriere, die sich andere wünschen – deren Ende sich aber niemand wünscht. In zwei Jahren beim 1. FC Nürnberg kam er nur noch auf 14 Einsätze und musste im Jahr 2000, mit 32 Jahren, mit dem Fußball aufhören. „Nach sieben Knieoperationen war nichts mehr zu machen. Ich musste mich neu orientieren.“ Seine Mitspieler von früher sind heute Trainer, Manager, Spielerberater. Oder pleite. „Du brauchst ein Ziel, sonst zieht es dir irgendwann den Boden unter den Füßen weg“, sagt Reinhardt.
Damals nahm er sich ein Jahr Zeit zur Einkehr, fasste dann einen Entschluss: „Ich wollte etwas machen, das mich befriedigt. Ich wollte studieren und Lehrer werden.“ Ein Grund lag auf der Hand: Als Vater hatte er bereits täglich intensiv mit dem eigenen Nachwuchs zu tun. Eine Entscheidung aus seiner Jugend machte sich bezahlt: Reinhardt, der nie zu den Talentiertesten, aber immer zu den Fleißigsten gehörte, hatte auf Wunsch und Druck seiner Eltern auf die U18-EM verzichtet, um das Abitur zu machen. Die Hochschulreife öffnete ihm die Tür zur Uni.
Aus dem gestandenen Profi und Mittdreißiger wurde ein Studienanfänger. „Ich musste wieder das Lernen lernen. Es war ein harter Weg, der meine ganze Energie, Kraft, Leidenschaft und Aufmerksamkeit forderte. Aber es hat sich gelohnt“, sagt Knut Reinhardt heute.
Der Start war holprig. Wenn man in der Sprache des Sports bleibt, kann man sagen, Reinhardt kam schlecht ins Spiel, hatte bei den ersten Klausuren und Scheinen so seine Probleme. Aber, wie einst auf dem Rasen, kämpfte sich der Ex-Profi in seine neue Aufgabe, ackerte, gab zu keinem Zeitpunkt auf. Nach fünf Jahren hatte er alle Scheine beisammen. Ausgerechnet in seinem Paradefach Sport wurde er besonders gefordert: So standen Judo, Tanzen und Inlineskating auf dem Lehrplan. Und um beispielsweise das Schwimmen zu lernen, ging Reinhardt morgens solange um sechs Uhr ins Schwimmbad, bis er seine Bahnen richtig ziehen konnte.
Nach Abgabe seiner Examensarbeit atmete der Jung-Akademiker erst mal durch. Und erinnerte sich an 1997. „Ich habe mich gefühlt, als hätte ich ein zweites Mal die Champions League gewonnen.“
Am Ende des Studiums stand der nächste Neu-Anfang: Knut Reinhardt wurde erst Referendar und dann Lehrer an der Grundschule „Kleine Kielstraße“ in der Dortmunder Nordstadt. Die knapp 400 Schüler kommen dort aus 21 Nationen. In der Schule, die 2006 für ihr integratives und intensives Lehrprogramm mit dem „Deutschen Schulpreis“ ausgezeichnet wurde, ist Reinhardt heute Klassenlehrer der „Pink-Panther-Klasse“.
Anpfiff ist morgens um 7.45 Uhr. Wie früher auf dem Rasen der Bundesliga-Stadien ist auch im Unterricht der ganze Reinhardt gefordert. Und der Lehrer fühlt sich an seine eigene Schulzeit erinnert. „Ich habe ja nicht immer auf die Lehrer gehört, mich nicht an alle Regeln gehalten“, sagt er. Für seine Dortmunder Grundschüler ist er nicht nur Lehrer, sondern auch Vaterfigur. Den Kleinsten bindet er die Schuhe. Bei den Größeren muss er schon mal als Streitschlichter eingreifen. Und alle staunen, wenn ihr Lehrer beim Fußball in der Turnhalle die Mädchenmannschaft locker zum Sieg führt. Seine Schüler waren noch nicht geboren, als er Fußballprofi war. Aber sie sind neugierig, wissbegierig, suchen seinen Namen im Internet und werden in einer Zeit vor ihrer Zeit fündig. Einige wissen zudem aus Erzählungen ihrer Eltern, dass der Lehrer „Herr Reinhardt“ einst im Dortmunder Stadion „Knuuuut“ gerufen wurde. Dann schauen sie noch etwas ehrfürchtiger zu ihm herauf, hören ihrem Vorbild noch etwas besser zu. „Ich will ihnen vorleben, dass man Ziele anvisieren muss und nie aufgeben darf“, sagt Knut Reinhardt.
Zum Fußball ist der 45-Jährige auch zurückgekehrt. Als regelmäßiger Zuschauer im Stadion. Und als Nachwuchstrainer für seine zwei Söhne, die begeistert kicken. Die haben ein wichtiges Qualitätsmerkmal ihres Vater: „Es sind Linksfüße. Und die sind im Fußball ja rar und besonders begehrt“, weiß Knut Reinhardt aus eigener Erfahrung.