Berlin. Die Bayern haben das DFB-Pokalfinale gegen Bayer Leverkusen gewonnen. David Alaba machte ein starkes Spiel. Sein Verbleib in München ist offen.
Den Befehl zum Feiern hatte der Chef höchstpersönlich gegeben. Die Mannschaft habe „eine top Saison gespielt“, befand Karl-Heinz Rummenigge. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern war der Ansicht, nach der 30. Meisterschaft und dem 20. DFB-Pokalsieg dürften es die Spieler auch mal krachen lassen. Und die ließen sich darum nicht lange bitten. Nach dem offiziellen Bankett mit 100 Teilnehmern brachen sie noch zu einer Privatparty in Berlin auf, und David Alaba hatte offensichtlich sogar am Sonntagvormittag noch nicht genug. Im Mannschaftsbus, der die Double-Gewinner zum Flughafen brachte, ließ er die Sirene eines Megafons aufheulen.
Alaba genoss dieses Wochenende sichtlich. Es war ja auch sein Wochenende. Der Österreicher, 28 Jahre alt und schon mit 16 Jahren zum FC Bayern gekommen, ebnete den Münchenern mit einem Freistoß aus der Feinkostabteilung den Weg zum 4:2-Sieg gegen Bayer Leverkusen in diesem Pokalfinale, das als Geisterspiel wegen Corona ganz anders war als alle anderen zuvor. Nur beim Sieger hatte man das Gefühl: alles wie immer, mal wieder die Bayern.
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Zwei kleine Schritte Anlauf hatten David Alaba für eines der beiden Kunststücke dieses Abends gereicht. Zwei kleine Schritte, nach denen er den Ball aus 17 Metern elegant über die Mauer in den Winkel hob. Dieses Traumtor gab schon in der 16. Minute die Richtung vor. Leverkusen war geschockt und gelähmt, Serge Gnabry (24.) legte nach, den Rest erledigte Robert Lewandowski in der zweiten Hälfte. Ausgerechnet, als Leverkusen stärker wurde, erhöhte der Torjäger unter gütiger Mithilfe von Bayer-Torwart Lukas Hradecky auf 3:0 (59.), und nachdem Sven Bender verkürzt hatte (63.), machte Lewandowski mit einem traumhaft schönen Lupfer, dem zweiten fußballerischen Höhepunkt des Abends, alles klar. Der von Kai Havertz verwandelte Elfmeter in der Nachspielzeit konnte die klare Niederlage der Leverkusener noch ein wenig kaschieren.
Bayern München liefert in den ersten 60 Minuten eine Gala
„Die erste Halbzeit war beeindruckend. Der Titel bedeutet mir wahnsinnig viel“, sagte der nach einer Champagnerdusche noch durchnässte Bayern-Trainer Hansi Flick strahlend bei der Pressekonferenz. Die ersten 60 Minuten waren zur Gala geraten, nie gerieten die Bayern ernsthaft in Gefahr – auch weil Leverkusen seine Chancen kläglich vergab. So setzten die Münchener ihre beeindruckende Serie fort und gewannen das 21. von 22 Pflichtspielen im Jahr 2020.
Die nationale Dominanz der Bayern lässt sich auch an einigen Spielern erklären. Da wäre natürlich Robert Lewandowski, der im 43. Pflichtspiel in dieser Saison die Tore 50 und 51 erzielte. Sein Trainer brachte ihn sogar für die Wahl zum Weltfußballer in Stellung. „Warum nicht?“, meinte Flick. Da wäre Thomas Müller, der noch im Herbst von Flicks Vorgänger Niko Kovac zum Bankdrücker degradiert worden war und seitdem voll aufgedreht hat. Da wäre Joshua Kimmich, der im Zentrum Woche für Woche wie ein Uhrwerk sein Spiel verrichtet. Und da wäre: David Alaba.
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Gibt es in der Bundesliga einen Spieler mit mehr Gefühl im linken Fuß? Alaba ist einer der Schlüsselspieler im System Flick – und das auf neuer Position. Seit der 55-Jährige die Bayern trainiert, spielt der Österreicher in der Abwehrreihe nicht mehr links, sondern innen. Diese Rolle hatte er vor allem unter Pep Guardiola immer mal wieder ausgeübt, doch das war häufig dem Personalmangel geschuldet. Unter Flick ist Alaba im Abwehrzentrum gesetzt, 80-Millionen-Mann Lucas Hernandez nur Edelreservist.
David Alaba überzeugt bei den Bayern als zentraler Verteidiger
Jahrelang galt der gebürtige Wiener als bester Linksverteidiger der Welt, nun spielt er auch in der Innenverteidigung weltklasse. „Er hat eine enorme Entwicklung genommen“, lobte Flick. Alaba bringt tatsächlich alles mit, was einen Abwehrspieler besonders wertvoll macht: Er ist schnell, zweikampfstark, spielintelligent, und er antizipiert gegnerische Vorstöße herausragend. Durch all das fällt seine verhältnismäßig geringe Körpergröße von 1,80 Metern nicht nennenswert ins Gewicht.
Die Frage, die die Bayern beunruhigen muss, ist diese: Wie lange wird Alaba noch in ihrem Trikot spielen? Der Vertrag läuft im Sommer 2021 aus, bisher konnten sich beide Parteien noch nicht auf eine Fortführung einigen. Eine Ablöse könnten die Münchener also nur in diesem Jahr noch generieren. In der Vergangenheit hatte Alaba ab und an bereits mit einem Wechsel geliebäugelt – und er scheint nicht abgeneigt zu sein, wenn Giganten wie Real Madrid oder der FC Barcelona Interesse signalisieren würden.
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Flick indes hielt nach dem Finale ein flammendes Plädoyer für den Verbleib von Alaba: „Er ist außergewöhnlich, nicht nur auf dem Feld. Er ist unser Herzstück. Auch außerhalb ist er mit seiner angenehmen und positiven Art wichtig für die Mannschaft. Er könnte in einem Verein, in dem er ausgebildet wurde, auch seine Karriere beenden. Das kommt heute nicht allzu oft vor.“ Alaba war 2008 als Jugendlicher zu den Bayern gekommen, abgesehen von einer Leihe zur TSG Hoffenheim spielte er stets im Bayern-Rot.
Bei Alaba glauben die Bayern, gute Chancen zu haben. Bei Thiago sind sie skeptischer. Auch der Vertrag des Spaniers läuft 2021 aus. Wegen einer Leisten-Operation hatte der 29-jährige Top-Techniker in der Endphase der Saison keine große Rolle mehr gespielt. „Ich werde mich mit allem, was ich habe, dafür einsetzen, dass wir solche zwei Qualitätsspieler in den Reihen halten können“, sagte Flick. Doch der Verbleib von Thiago erscheint immer unwahrscheinlicher, selbst der Bayern-Trainer räumte ein: „Es wird bei ihm wohl nicht so einfach.“ Die Spur führt höchstwahrscheinlich zum englischen Meister FC Liverpool.
Corona-Krise geht auch an den Bayern nicht spurlos vorbei
Stammspieler, die ihre Verträge womöglich nicht verlängern wollen - das ist der FC Bayern kaum gewohnt. Auf den drohenden Verlust von Stars wie Alaba und Thiago hätten die Bosse in der Vergangenheit mit deutlichen Aktionen auf dem Transfermarkt reagiert. Doch die Corona-Krise geht auch an den Bayern nicht spurlos vorbei, obgleich erst in der vergangenen Woche Leroy Sané für rund 50 Millionen Euro verpflichtet wurde. Bei einem weiteren deutschen Nationalspieler haben sich die Bayern indes ungewohnt offen aus dem Poker verabschiedet: Leverkusens Jungstar Kai Havertz wird nicht kommen.
Vorrang hat also nun das Thema Alaba. Mit Leistungen wie im Pokalfinale macht der Abwehrspieler beste Werbung für einen Bonus in den Vertragsgesprächen. Den hatten jüngst auch Manuel Neuer und Thomas Müller bei ihren Verlängerungen bekommen. Die Bayern wissen, wem sie dankbar sein müssen.