Frankfurt/Main. Was in Brasilien WM-Premiere feierte, soll auch in der Bundesliga Einzug halten: die Torlinientechnik. Dennoch gibt es Zweifel unter den Ligaklubs.
Die deutschen Fußballakteure stehen vor der Qual der Wahl: Tradition oder Revolution? Die Nutzung einer Torlinientechnologie in der Fußball-Bundesliga ist weiterhin umstritten. Zwölf der 18 Erstliga-Vereine müssten dafür stimmen, damit GoalControl oder ein anderes System in den deutschen Stadien Einzug hält. Neun Clubs haben sich bisher in einer repräsentativen Umfrage der Deutschen Presse-Agentur für die Neuerung ausgesprochen. Andere Vereine wollen keine Unruhre schüren und halten sich im Vorfeld lieber zurück wie auch der VfL Wolfsburg, der verlauten ließ: "Wir äußern uns vorher nicht, auch nicht zu unserem Abstimmungsverhalten." Zudem gibt es hartnäckige Gegner der Innovation wie Schalke 04 und Eintracht Frankfurt.
Schon bei der ersten Abstimmung am 24. März hatten sich 24 der 36 Profivereine gegen die Satzungsänderung ausgesprochen, nicht zuletzt auch aus finanziellen Gründen. Die Zweitligisten, die nun nicht mehr Teil der Befragung sein werden, fehlt das nötige Budget für die elektronische Kontrolle. Für die Einführung müssten mindestens zwölf Erstligisten grünes Licht geben. Den Antrag zur erneuten Abstimmung hatte der FC Bayern München gestellt. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat inzwischen eine Ausschreibung unter verschiedenen Systemanbietern gestartet und will einen genauen Kostenplan vorlegen.
Schiedsrichter sprechen sich dafür aus
"Ich finde die Torlinientechnik sehr gut. Die Argumentation der Vereine dreht sich ja hauptsächlich um wirtschaftliche Bedenken", erklärte Nationalstürmer Thomas Müller bei Sky Sport News HD. "Es macht das Spiel gerechter und hilft den Schiedsrichtern." Auch die Spitzenreferees haben sich längst für die Neuerung ausgesprochen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden. "Jedes Hilfsmittel nehmen wir gerne an", betonte WM-Spielleiter Felix Brych. In Brasilien war GoalControl bereits zum Einsatz gekommen. Nun ist nicht nur der Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung Christian Seifert "sehr gespannt", ob es auch in den Ligen des Weltmeisterlands zur Torlinientechnik kommt.
Zwischen 250.000 und 500.000 Euro würde es pro Saison kosten. "Die DFL hat die Ausschreibung unter verschiedenen Systemanbietern gestartet, so dass wir diesmal über konkrete Systeme und Kosten sprechen können", erklärte Seifert kürzlich in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung". Bei der Mitgliederversammlung will die Dachorganisation dann - falls es grünes Licht gibt - eine konkrete Empfehlung für einen Anbieter geben.
Nächster Schritt: Videobeweis
Neben dem computergesteuerten Goalcontrol, dessen Hersteller in Würselen sitzt, stehen das in England verwendete Kamerasystem Hawk-Eye und das magnetfeldbasierende System Goal Ref zur Debatte. "Die Fußballwelt hat sich ein wenig gewundert, warum gerade Deutschland die neue Technik bisher nicht eingeführt hat. Ich glaube: Als eine der größten Ligen der Welt sollte man eine gewisse Grundeinstellung zu Veränderungen haben", weiß der DFL-Chef. Das gelte auch für einen weiteren Schritt - den längst diskutierten Videobeweis.
Der wäre für Seifert zwar ein "massiver Eingriff", dennoch habe man als Dachorganisation die Pflicht, dies seriös und unvoreingenommen zu diskutieren. Im Millionengeschäft Profi-Fußball sollen jedenfalls künftig Treffer wie das Phantomtor von Stefan Kießling, der im vergangenen Jahr in Hoffenheim für Leverkusen durch ein Loch im Netz köpfte, vermieden werden. Brych bemerkte den Fehler nicht und gab das Tor.
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Tradition gegen Technik
Trotzdem sind die Bundesligisten in der Frage der Torlinientechnologie nicht nur auf Grund der Kostenfrage gespalten. Traditionalisten wie Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen wollen eine seriöse Abwägung, ob die Torlinientechnik wirklich von Nöten ist: "Die Strittigkeit der Entscheidungen ist ein wesentliches Tool unserer Sportart." Er rechnet aber, besonders aufgrund des Mediendrucks, damit, dass der Antrag durchgeht.
Trainer Pep Guardiola vom Antragsteller Bayern München erklärte: "Es vermindert Fehler der Schiedsrichter. Mehr Fairness im Fußball ist immer gut." Auch der BVB, so Sportdirektor Michael Zorc, wird "definitiv dafür stimmen". Ebenso wie der 1. FC Köln, FSV Mainz 05, 1899 Hoffenheim, Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach, Hannover 96 und auch Bayer Leverkusen, obwohl Trainer Roger Schmidt Bedenken äußerte: "Ich weiß nicht, wie viele Tore das betrifft: ein oder zwei in einer Saison? Ich denke, es gibt viel mehr andere Entscheidungen, die falsch sind und das Spiel beeinflussen."
Technik wird zu selten gebraucht
Deutlich dagegen haben sich beispielsweise der SC Paderborn und Schalke 04 ausgesprochen. "Das wäre Flickschusterei, denn sie hilft nur in den seltenen Fällen, eben wenn es darum geht, ob der Ball hinter der Linie war oder nicht. Das passiert aber nur alle x Spiele einmal, aber was ist, wenn es vorher andere umstrittene Situationen wie Foul oder Abseits vorlagen?", sagte Manager Horst Heldt. Als noch unentschlossen gelten Wolfsburg, der Hamburger SV, der VfB Stuttgart, der SC Freiburg, Hertha BSC und der FC Augsburg. Bei dem Tabellenvierten aus Bayern gibt es innerhalb des Clubs laut Stefan Reuter "unterschiedliche Meinungen". (dpa)