Gelsenkirchen/Mallorca. Das Torwart-Casting von Kees van Wonderen sorgt für Unruhe und Diskussionen. Ex-Schalke-Torwart Holger Gehrke rechnet mit den Gelsenkirchenern ab.
Schalkes Torwart-Casting biegt auf die Zielgerade ein. Nach dem Spiel am Freitag beim SSV Ulm will Cheftrainer Kees van Wonderen festlegen, wer vorerst die Nummer eins im Schalker Tor ist: Thorben Hoffmann oder Justin Heekeren, dem Ex-Trainer Karel Geraerts vertraut hat.
„Ich will mir die Zeit nehmen, um zwei richtig gute Torhüter zu bewerten. Zwei Spiele für Thorben, zwei für Justin. Danach werde ich entscheiden“, hatte Kees van Wonderen bei seinem Amtsantritt Anfang des Monats über seine sicher ungewöhnliche Maßnahme gesagt.
Schalke: Thorben Hoffmann und Justin Heekeren bekommen ihre Chancen
Die Bilanz von Thorben Hoffmann: zwei Spiele, zwei Niederlagen. Der 25-Jährige stand beim 0:1 bei Hannover 96 und auch beim 3:4 im Heimspiel gegen Greuther Fürth im Schalker Tor. Nennenswerte Fehler hat er nicht gemacht, auszeichnen konnte sich Hoffmann aber auch nicht. Unter dem Strich konnte der Sommer-Neuzugang aus Braunschweig nicht zeigen, dass er zwingend die Schalker Nummer eins werden muss.
Konkurrent Justin Heekeren durfte am Dienstagabend beim Pokal-Aus beim FC Augsburg (0:3) vorspielen und bekommt noch das Ligaspiel am Freitagabend beim SSV Ulm, um sich vor Kees van Wonderen zu präsentieren. In Augsburg sammelte der 23-Jährige ganz sicher keine Pluspunkte, beim Gegentor zum 0:1 sah er zumindest unglücklich aus.
Einer, der das interne Torwart-Duell aus gut 1700 Kilometern Entfernung von seiner Wahlheimat Mallorca mit großen Zweifeln verfolgt, ist Holger Gehrke. Der heute 64-Jährige kennt den FC Schalke 04 nicht nur als Spieler, sondern auch als langjähriger Co-Trainer und Torwart-Trainer. Von 1992 bis 1994 stand er bei den Schalker Profis in 43 Spielen zwischen den Pfosten. Zwischen 1999 und 2002 sowie zwischen 2012 und 2014 gehörte er als Torwarttrainer oder Co-Trainer dem Schalker Trainerstab an. Als Jens Keller im Oktober 2014 gehen musste, wurde auch Holger Gehrke freigestellt. Eine Entscheidung, die immer noch schmerzt. Dennoch: „Mein Herz schlägt nach wie vor für Schalke“, sagt er. Das tut es in letzter Zeit vor Aufregung allerdings ziemlich schnell. Erst Samstag, nach der 3:4-Pleite gegen Greuther Fürth, postete Holger Gehrke auf seinem Instagram-Kanal: „Das kann doch alles nicht mehr wahr sein!“
„Schnapsidee“ - Schalkes Torwart-Casting sorgt für Unverständnis bei Holger Gehrke
Ganz ähnlich bewertet der Ex-Profi die Entscheidung Kees van Wonderens, dass sich beide Torhüter in je zwei Spielen präsentieren dürfen. „Auf diese Schnapsidee musst Du als Trainer erstmal kommen, wenn Du eine ohnehin total verunsicherte Mannschaft übernimmst, die im Tabellenkeller steckt und zudem noch die Schießbude der Liga ist“, sagt Holger Gehrke, der aktuell in einer Fußball-Schule auf Mallorca junge Torhüter ausbildet. Seine Meinung ist eindeutig: „Justin Heekeren hatte seit Saisonbeginn Zeit, sich zu präsentieren. Diese Zeit muss ausreichen, um festzustellen, was er kann und was nicht.“ Holger Gehrke ergänzt: „Außerdem gibt es ja auch noch einen Torwarttrainer, der beide jeden Tag im Training sieht. Auch auf seine Meinung hätte der neue Trainer zunächst setzen können.“
Ein Torwart, betont Holger Gehrke, braucht nämlich vor allem zwei Dinge: Spielrhythmus und Vertrauen. „Beim Keeper spielt der Kopf die größte Rolle“, sagt er. Van Wonderens Keeper-Casting ist für ihn ein klares Indiz dafür, dass der neue S04-Coach eigentlich keinem der beiden Torhüter zutraut, die klare Nummer eins zu sein.
Zweite Karriere im Padel-Tennis
Neben seiner Tätigkeit als Trainer von Kindern und Jugendlichen im „Fussicamp Mallorca“ hat Holger Gehrke vor ein paar Jahren seine Leidenschaft für die Trendsportart Padel-Tennis entdeckt. In einer der weltweit am schnellsten wachsenden Sportarten ist er sogar so erfolgreich, dass er für die deutsche Nationalmannschaft spielt und an Weltmeisterschaften und Europameisterschaften teilnimmt. Fünfmal ist der ehemalige Fußballprofi schon Deutscher Meister geworden. „Bei Schalke hat es 2001 nur zum Meister der Herzen gereicht. Und von solchen Events habe ich als Torwart sowieso nur träumen können“, sagt er und lacht.
Einmal pro Monat kommt er für ein paar Tage zurück ins Ruhrgebiet, um junge Torhüter in Camps der „Torwartschule Nr. 1“ zu trainieren. Passt es zeitlich, ist er dann auch gerne auf Schalke zu Besuch. In dieser Saison hat er bereits die Heimspiele gegen seine weiteren Ex-Klubs 1. FC Köln und Hertha BSC live in der Arena verfolgt. Außerdem ist Holger Gehrke Mitglied der Schalker Traditionsmannschaft und spielt auch gelegentlich für die königsblauen Oldies.
Schalke: Kritik am Umgang mit Ralf Fährmann
Als prominentes Beispiel, wie wichtig es ist, einem Torwart auch öffentlich den Rücken zu stärken, nennt Holger Gehrke Ralf Fährmann, dem Schalkes sportliche Führung vor der Saison mitgeteilt hat, sich einen neuen Klub suchen zu können. „Ralle ist ein zwar Typ wie ein Bär, aber er ist ein ganz sensibler Mensch. Er hat in seinen vielen Jahren auf Schalke immer wieder Rückschläge erlitten. Wenn er aber gespürt hat, dass ihm das Trainerteam, seine Mannschaftskollegen und auch die Fans uneingeschränkt vertraut haben, ist er über sich hinausgewachsen“, sagt Holger Gehrke, der selbst mit Schalkes langjährigem Stammkeeper zusammengearbeitet hat. Seine Erinnerung daran ist äußert positiv: „Ralle war einer der besten Keeper der Bundesliga und zwischenzeitlich sogar auf dem Sprung zur Nationalmannschaft“, sagt er und ergänzt: „Dass er auf einmal für die 2. Bundesliga zu schlecht sein soll, ist für mich unbegreiflich. Dann wäre er wirklich der erste Torwart, den ich kenne, der im Alter viel schlechter geworden wäre.“
Für „grob fahrlässig“ hält Holger Gehrke auch die Entscheidung, Marius Müller vor der Saison zum VfL Wolfsburg gehen zu lassen. „Mit Marius stand auf Schalke ein echter Typ der Kiste. Einer, der was ausstrahlt, der Schalke verstanden hat und der auch von den Fans getragen wurde.“ Holger Gehrke stellt klar: „Wenn ich mich zwischen Hoffmann und Heekeren entscheiden müsste, würde ich immer Müller nehmen.“
Eine Option, die Kees van Wonderen nicht hat. Er muss nach dem Spiel in Ulm entscheiden, ob Hoffmann oder Heekeren seine Nummer eins ist.
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