Dortmund. Carney Chukwuemeka soll das zuletzt schwächelnde Mittelfeld beim BVB beleben. Passt er ins System von Kovac? Was ist von ihm zu erwarten? Eine Transferanalyse.
Lobeshymnen ist Carney Chukwuemeka gewohnt. In seiner Debütsaison für Aston Villa im Jahr 2021 wurde der BVB-Neuzugang vom damaligen Vorstandsvorsitzenden Christian Purslow als „wahrscheinlich bester 16-Jährige in ganz England“ bezeichnet. Sein Trainer sagte ihm „eine glänzende Zukunft“ voraus.
Dieses Versprechen konnte der heute 21-Jährige bislang nicht einlösen. Nach ersten starken Auftritten in der Premier League für Aston Villa folgte 2022 der Wechsel zum FC Chelsea, wo er unter Thomas Tuchel, Graham Potter und Mauricio Pochettino nur selten oder gar nicht zum Einsatz kam.
In der laufenden Saison geriet Chukwuemeka unter Enzo Maresca schließlich komplett aufs Abstellgeleis: Nur drei Einsätze in der Conference League und ein Spiel im Pokal stehen in seiner Statistik. In der Premier League spielte er kein einziges Mal - insgesamt stand er nur 37 Mal in Englands höchster Spielklasse auf dem Feld.
Borussia Dortmunds Neuzugang Carney Chukwuemeka: Große Worte zur Begrüßung
Mit Lobeshymnen, wie gewohnt, wurde Chukwuemeka bei Borussia Dortmund dennoch begrüßt: „Carney ist ein extrem talentierter Box-to-Box-Spieler, der schon in jungen Jahren in der Premier League für Furore gesorgt hat“, sagte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl bei der Vorstellung des Neuzugangs.
Dass die Karriere des hochgehandelten Talents zuletzt ins Stocken geriet, wollte aber auch Kehl nicht verheimlichen. „Trotz des fehlenden Rhythmus‘ [...] hoffen wir, dass Carney bei uns wieder zu alter Stärke zurückfindet.“ Ob das gelingt und wie Chukwuemeka zu Borussia Dortmund passt, zeigen Daten des Analyseunternehmens Createfootball.
Nicht nur bei der Größe ähnelt Dortmunds Chukwuemeka dem Superstar Bellingham
Carney Chukwuemeka spielt auf der Acht, ist also im Mittelfeld als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive anzusehen. Dort zeigt er auch seine größten Stärken: Achtmal in 90 Minuten überwindet Chukwuemeka mit Ball am Fuß gegnerische Linien. Durch seine Statur (1,87 Meter Körpergröße) und Athletik erinnert er an Jude Bellingham (1,86 Meter groß).
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Schon in der Jugend fiel bei „Carnz“ auf, dass er sich den Ball auffallend häufig tief in der eigenen Hälfe abholte, um dann mit Tempo in die gegnerische Hälfte vorzudringen. Durch seine enge Ballführung gewinnt er dabei viel Raum auf dem Spielfeld.
Als klassischer „Box-to-Box“-Spieler hat Chukwuemeka einen hohen Aktionsradius zwischen den Strafräumen, im letzten Drittel ist er mutig und kreativ am Ball. In Strafraumnähe geht er gerne ins Dribbling und probiert, im Eins-gegen-Eins in den Strafraum einzudringen. Das gelingt ihm allerdings relativ selten - knapp weniger als Hälfte seiner 34 Dribblings in 90 Minuten Spielzeit sind erfolgreich.
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Bei Angriffen rückt Chukwuemeka nur selten bis in die vorderste Linie nach, sucht dafür häufiger aus der Distanz den Abschluss - auch das erinnert an Bellingham. Trotz seiner Körpergröße kann er sich in offensiven Luftduellen aber nur selten durchsetzen - sein Timing im Kopfball ist ausbaufähig.
Viele Tiefenläufe, viel Aufwand: Passt Chukwuemeka ins BVB-System?
Auffällig auch die Passgenauigkeit des Mittelfeldspielers: Annähernd 90 Prozent seiner Pässe kommen beim Mitspieler an. Allerdings spielt er hauptsächlich kurze Pässe und ist kein Spieler, der durch präzise Diagonalbälle Chancen einleitet. Ohne Ball bietet sich Chukwuemeka mit vielen Tiefenläufen an.
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Dabei steht er häufig im offensiven Halbraum und ermöglicht seinem Team dadurch, für Überzahl im Spiel nach vorne zu sorgen. Hier lassen sich Parallelen zur Spielweise von Jude Bellingham finden, der ebenfalls häufig mit und ohne Ball in die Tiefe gezogen ist.
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Das passt zur Philosophie, die Niko Kovac angekündigt hat: „Wir wollen attraktiven, guten Offensivfußball spielen, mit vielen Tiefenläufen“, so der neue BVB-Trainer auf der Antritts-Pressekonferenz.
Wie könnte Chukwuemeka Borussia Dortmund unter Niko Kovac helfen?
Kovac legte aber in seinen bisherigen Trainerstationen stets viel Wert auf disziplinierte Defensivarbeit. Hier bringt Chukwuemeka zwar eine hohe Zweikampfintensität mit, seine Duelle führt er allerdings meist mit Ball am Fuß. Gegen den Ball bestreitet er nur wenige frontale Zweikämpfe, davon gewann in der physischen Premier League aber starke 74 Prozent.
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In der Rückwärtsbewegung vertraut Chukwuemeka mehr auf seine gute Athletik, um Räume zuzulaufen und Pässe abzufangen. Im Pressing setzt er den Gegner nur selten unter Druck, den Großteil der Defensivarbeit lässt er seine Mitspieler erledigen.
Diese Spielweise könnte beim BVB zu Problemen führen. Kovac spielte bei seinen vergangenen Stationen oft in einem 4-2-3-1-System. Sollte Chukwuemeka neben Lukas Nmecha auf der „Sechs“ spielen, wird die Defensive Unwucht im Mittelfeld nicht behoben. Beide Spieler denken eher offensiv und bringen ein ähnliches Profil mit.
Fazit: Ist Carney Chukwuemeka ein sinnvoller Transfer für den BVB
Mit Carney Chukwuemeka bekommt der BVB einen Mittelfeldspieler, der für sein junges Alter ein sehr komplettes Paket mitbringt. Mit seiner starken Athletik und Grundschnelligkeit kann er die Qualität im BVB-Kader erhöhen. Entscheidend wird, mit welchen Mannschaftskollegen im zentralen Mittelfeld Chukwuemeka aufläuft und wie Niko Kovac die Rolle des Neuzugangs interpretiert.
Für den 21-Jährigen spricht, dass er auch auf der linken Außenposition spielen kann, wo durch den Abgang von Donyell Malen eine Lücke entstanden ist. Ob Chukwuemeka eine direkte Hilfe wird, bleibt angesichts der sehr geringen Spielzeit in dieser Saison abzuwarten. Mit einer Leihe plus Kaufoption geht der BVB hier aber kein Risiko ein.