Dortmund/Frankfurt am Main. Borussia Dortmund steht vor einer schweren Aufgabe bei Eintracht Frankfurt. Die Mannschaft muss liefern - auch für Trainer Nuri Sahin.

Knapp 20 Autominuten entfernt von Frankfurts Wolkenkratzern liegt das Hilton-Hotel in Frankfurt Gravenbruch. Ein Ort mit weißen Säulen am Eingang, der zum Innehalten einlädt, die deutsche Nationalmannschaft kehrt hier gerne ein, in den 1990er-Jahren verlief sich die DFB-Auswahl mit dem damaligen Bundestrainer Berti Vogts sogar einmal im benachbarten Waldgebiet. Einige Spieler mussten per Anhalter zurückgebracht werden, ein Smartphone mit Navigationsapp besaß damals noch keiner.

Seit Dienstag befindet sich Borussia Dortmund in diesem edlen Bau, direkt nach dem Kiel-Desaster ging es in die Bankenmetropole. Im Gepäck eine Krise, deren Auswirkungen noch nicht abzusehen sind. Der Klub steht auf Rang zehn, fünf Punkte beträgt der Rückstand auf die Champions-League-Ränge; vor allem aber verschreckte die Art und Weise, wie die hochbezahlte BVB-Elf beim kleinen Aufsteiger an der Ostsee auseinanderfiel.

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BVB: Ricken und Kehl stützen Nuri Sahin

Der Termin am Freitagabend (20.30 Uhr/DAZN) beim Tabellendritten Eintracht Frankfurt wird dadurch zu einem Schicksalsspiel. Es geht ums Ansehen, um die Königsklasse und auch um die Zukunft von Trainer Nuri Sahin. Es gehört zu den Härten des Geschäfts, dass, obwohl sich der 36-Jährige noch im Amt befindet, bereits mögliche Ersatzkandidaten durch die Medien rauschen. Erik ten Hag wird genannt. Sandro Wagner. Roger Schmidt. Sport-Geschäftsführer Lars Ricken und Sportdirektor Sebastian Kehl stützen Sahin, doch wenn die Schwarz-Gelben gegen die Eintracht erneut ein haarsträubend schwaches Bild abgeben, dann kann der Kredit des ehemaligen Profis schnell aufgebraucht sein.

In der Kritik: Julian Brandt, die Nummer 10 des BVB.
In der Kritik: Julian Brandt, die Nummer 10 des BVB. © Getty Images | Stuart Franklin

Wie geht der, der als Spieler ein Fanliebling war, damit um? Am Donnerstag meldet sich Sahin aus Frankfurt zu Wort. Durch die ungewöhnliche Maßnahme, direkt aus Kiel nach Hessen zu fliegen, um sich Reisestrapazen zu ersparen, findet die Pressekonferenz im digitalen Raum statt. Es lässt sich daher nur erahnen, dass der immense Druck an Sahin nagt. Immer wieder presst er seine Lippen aufeinander, schaut nach unten. Die 2:4-Niederlage beim Außenseiter habe ihn „die ganze Nacht beschäftigt“, verrät der Meinerzhagener. Aber: „Es bringt mir nichts, jetzt weiter an Kiel zu denken. Es ist für mich abgeschlossen. Es muss weitergehen.“

An BVB-Profi Julian Brandt rollte das Spiel vorbei

Und weiter geht es in dieser wackligen Phase ausgerechnet gegen die Draufgänger der Eintracht, die unter Trainer Dino Toppmöller (der übrigens in seiner ersten Saison auch in der Kritik stand) die Bundesliga aufmischen. Vorne stürmen Hugo Ekitiké und natürlich Omar Marmoush, der herausragende Fußballer in dieser Spielzeit. Allerdings: Der 25-Jährige steht vor einem Wechsel zu Manchester City, vielleicht verabschiedet er sich noch vor dem Anpfiff am Freitagabend.

Um diese Mannschaft aber zu stoppen, müssen die Führungsspieler vorangehen, die an der Ostsee versagten. Kapitän Emre Can und Nico Schlotterbeck schafften es nicht, die Defensive zusammenzuhalten. An Julian Brandt rollte das Spiel vorbei. Es klafft ein großes Loch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. „Gerade von den Führungsspielern erwarte ich, dass sie in dieser Situation das Heft in die Hand nehmen, dass sie Klartext auf dem Platz sprechen“, meint Sahin. „Jule ist einer dieser Spieler. Ich hatte ein Gespräch mit ihm. Er ist sich der Lage bewusst und selbstkritisch.“

Wieder gesund: Karim Adeyemi, BVB-Sprinter.
Wieder gesund: Karim Adeyemi, BVB-Sprinter. © AFP | Ina Fassbender

BVB-Trainer Nuri Sahin: „Wir werden nicht in Aktionismus verfallen“

Das Gute: Nur Niklas Süle (Syndesmoseband-Anriss) wird ausfallen. Die Rotsperre von Pascal Groß ist abgelaufen, Karim Adeyemi hat seine Erkrankung überwunden. Der Klub hat die Grippewelle überstanden, die ihn zum Jahresbeginn so geschwächt hatte. Das erleichtert die Arbeit von Sahin, dadurch wächst aber auch die Erwartungshaltung, in Frankfurt eine andere Leistung zu zeigen.

„Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagt Sahin, „doch wir werden nicht in Aktionismus verfallen. Man kann nicht alle elf Spieler austauschen.“ Er habe seine Mannschaft niedergeschlagen erlebt. „Diesen Gegenwind müssen wir aushalten. Es ist jetzt meine Aufgabe, die Jungs wieder vorzubereiten.“

Diskussionen an der Werbebande. Can, Guirassy, Schlotterbeck sprechen mit den BVB-Ultras.
Diskussionen an der Werbebande. Can, Guirassy, Schlotterbeck sprechen mit den BVB-Ultras. © Getty Images | Stuart Franklin

Waldläufe wie damals Berti Vogts hat der BVB-Trainer dafür keine angeordnet, sondern viele Gespräche geführt, Sitzungen abgehalten, trainiert wurde auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes. „Ich vertraue meinen Spielern“, sagt Sahin. „Ich weiß, dass sie da sein werden. Es liegt an uns, das Bild aus Kiel zu korrigieren.“ Der Aufenthalt in Frankfurt Gravenbruch soll zu einem Wendepunkt in dieser Spielzeit werden.