Frankfurt am Main. Die BVB-Chefs müssen sich mit Ersatz für Nuri Sahin beschäftigen. Dieser nimmt ein Wort in den Mund, das er noch nie in den Mund genommen hat.
Es gehört zu den Brutalitäten dieses Geschäfts, dass nach einem Bundesliga-Spiel beide Trainer gemeinsam auf dem Pressekonferenz-Podium sitzen, selbst wenn der eine gerade in einem tiefen Tal feststeckt. Und so hockte Nuri Sahin nach dem Frankfurt-Spiel neben Dino Toppmöller, der Samstag hatte schon fast begonnen, und musste mitanhören, wie sein Kollege von der eigenen Mannschaft schwärmte, den ehemaligen BVB-Profi Mario Götze lobte und betonte, dass seine Mannschaft einen „speziellen Spirit“ habe.
Toppmöller trainiert die Haudegen-Truppe von Eintracht Frankfurt, die beim 2:0-Erfolg auch Borussia Dortmund niederrannte. Sahin formt die Krisen-Elf des BVB, die ihren Ansprüchen meilenweit hinterherhinkt.
Als dieser das Podium schon verlassen wollte, der Bus stand bereit, um den Klub noch in der Nacht zurück ins Ruhrgebiet zu bringen, gab es doch noch eine Frage. Nämlich die, wie es denn um den Spirit in seiner eigenen Auswahl bestellt sei? „So ein Spirit entwickelt sich“, antwortete Sahin, „das kommt nicht auf Knopfdruck. Wir sind da noch nicht, aber es ist ja das Ziel, dahinzukommen. Das entwickelt sich mit Zeit, wenn man als Trainer die Mannschaft kennenlernt. Ich hoffe, dass ich irgendwann hier sitze und das gleiche sagen kann.“
BVB-Trainer Nuri Sahin: „Ich versuche, klar zu bleiben“
Wer den Worten des ehemaligen Dortmunder Profis in dieser Saison regelmäßig gelauscht hat, der konnte hier einen Unterschied feststellen. Denn in den vergangenen Monaten hat Sahin nie das Wort „Hoffnung“ in den Mund genommen, sondern immer gesagt, dass es ihm gelingen werde, die schwarz-gelben Fußballer zu Gewinnern zu entwickeln. Diesmal klangen seine Antworten wie eine Abschiedsrede. „Ich weiß, wie das Geschäft läuft“, sagte Sahin. „Ich versuche, klar zu bleiben.“ Und: „Ich werde bis zum letzten Tag vorangehen.“
Dieser letzte Tag könnte bereits der Dienstag sein. Dann tritt der Champions-League-Finalist der vergangenen Saison in der Königsklasse beim FC Bologna an (21 Uhr/Prime Video). „Nuri hatte bisher unsere Rückendeckung, er wird sie auch weiter haben“, meinte Sport-Geschäftsführer Lars Ricken, der es bei diesen Worten hätte belassen können. Stattdessen rückte der mächtige BVB-Mann erstmals von seinem Trainer ab und ließ ein Aber folgen. „Es ist natürlich unsere Verantwortung, dass wir das Beste rausholen müssen. Zur Wahrheit gehört, dass die Ergebnisse nicht da sind, dass die Siege nicht da sind.“ Sahin werde gegen Bologna auf der Bank sitzen, „aber natürlich, das wissen wir alle, das weiß Nuri auch, mit der klaren Erwartungshaltung, dass wir jetzt einfach Siege und Erfolgserlebnisse brauchen.“
Heißt: Die 90 Minuten in Italien werden ein Endspiel für Nuri Sahin.
BVB: Julian Brandt enttäuscht erneut, Serhou Guirassy fehlt die Durchschlagskraft
Und es fehlt gerade die Fantasie, wie der Meinerzhagener, der es als Spieler bis zu Real Madrid geschafft hat, das Ruder rumreißen soll. Gerade weil selbst bei den Verantwortlichen die Zweifel durchklingen, dass er dies noch schaffen kann.
Am Frankfurt-Spiel ließen sich all die Probleme aufzeigen, die die Mannschaft gerade belasten. Es gab wieder gute Ansätze, gerade in Halbzeit zwei trat der BVB sehr dominant auf, war meistens am Ball, doch es fehlten die Großchancen. Julian Brandt enttäuschte, Serhou Guirassy fehlte die Durchschlagskraft. Das erste Gegentor fiel, weil sich Ramy Bensebaini, Jamie Gittens und Nico Schlotterbeck alle nicht energisch genug in den Zweikampf mit Hugo Larsson stürzten. Hugo Etikité traf (18.), Oscar Hojlund entschied die Partie (90.+2). Dazwischen hätten die Borussen einen Elfmeter für einem Rempler an Jamie Gittens kriegen können, aber die Pfeife von Schiedsrichter Daniel Schlager blieb stumm. Emre Can: „Ich verstehe das nicht. Ich war gerade in der Kabine und habe mit dem Schiedsrichter geredet: Er ist immer noch der Meinung, dass es kein Elfmeter ist.“
BVB muss sich bereits nach Ersatz für Nuri Sahin umsehen
Fest steht: Die Eintracht trat als Einheit auf, die Dortmunder meckerten sich gegenseitig an. Nach dem Schlusspfiff pfiffen die eigenen Fans, die Anhängerinnen und Anhänger aus Frankfurt schrien „Sahin raus“. Es gab schon einfachere Zeiten für den Revierklub.
„Es sind immer wieder die gleichen Fehler, wir müssen das nicht analysieren, wir brauchen Lösungen“, beklagte Lars Ricken. Im Hintergrund muss sich der Sport-Geschäftsführer gemeinsam mit BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl bereits nach einem Ersatzmann für Nuri Sahin umsehen, damit sein Klub nichts in Leere taumelt, sollte es zur Entlassung kommen. Die Anzeichen verdichten sich, dass dieser Ersatzmann Erik ten Hag, 54, werden wird. Der ebenfalls gehandelte Sandro Wagner, 37, wird es nach den Informationen dieser Redaktion definitiv nicht.