Mönchengladbach/Dortmund. Der Fußball an Rhein und Ruhr erlebt einen Abstieg. Nur vier Klubs sind in der ersten Liga geblieben. Woran liegt das?
Borussia Dortmund hält an Gewohnheiten fest, auch wenn es die drittkürzeste Anreise der Bundesliga-Saison ist. Schon am Freitag bestiegen die BVB-Profis den Mannschaftsbus und ließen sich von Christian Schulz nach Düsseldorf bringen. Erst am Samstagabend (18.30 Uhr/Sky) steht zwar das Auswärtsspiel bei Borussia Mönchengladbach an, in unmittelbarer Nähe des Spielortes ist das Team dennoch lieber zeitig. So kennt es das ja aus den inzwischen vielen langen Anreisen an Wochenenden, die meist sogar mit dem Flugzeug zurückgelegt werden.
Die Bundesliga hat sich in den vergangenen Jahren verändert, sie ist in andere Regionen des Landes expandiert. Dorthin, wo reichlich Geld vorhanden ist. Nach Leipzig, wo Red Bull einen Klub hingepflanzt hat. Nach Sinsheim, wo Dietmar Hopp seinen Heimatverein ins Oberhaus gebracht hat. Nach Wolfsburg, wo Volkswagen es für eine gute Idee hielt, die Firma in Form des VfL zu vermarkten. Auch aus dem finanzstarken Süden, wo der VfB Stuttgart – freilich anders zu bewerten als die vielen Retortenklubs – von lukrativen Sponsoren rund um den Verein profitiert.
BVB und Gladbach: Das letzte verbliebene NRW-Traditionsduell
Das alles geht zu Lasten Nordrhein-Westfalens. Gladbach gegen Dortmund, das ist das letzte große Duell an Rhein und Ruhr. „Schönes Stadion, ein Traditionsverein – so etwas darf nie zur Normalität werden. Sonst hast du deinen Beruf verfehlt“, sagt BVB-Trainer Nuri Sahin. „Meine Co-Trainer haben mich gefragt, wie das Stadion ist, wie die Stimmung ist. In Gladbach ist auch immer was los. 18.30 Uhr, das ist auch immer gut.“
Der NRW-Fußball erlebte in den vergangenen Jahren einen Abstieg. In der Saison 2019/20 tummelten sich noch sieben Bundesligisten aus dem Westen im Oberhaus. Nun sind es neben Gladbach und Dortmund bloß zwei weitere.
Da ist der VfL Bochum, der in der Stadt geliebt und im Land geschätzt wird. Er ist, bei allem Respekt, eine sehr regionale Erscheinung. Das wissen sie auch an der Castroper Straße, aber: Sie haben genau dies als Wert des Klubs erkannt. Und da ist Bayer Leverkusen, das trotz Double-Sieg, Maestro Xabi Alonso und Ausnahmetalent Florian Wirtz eben auch nur Bayer Leverkusen bleibt. Auch an der A1 würde nämlich nicht Bundesliga-Fußball gespielt werden, wenn der Chemiekonzern nicht seit Jahrzehnten Millionen investieren würde.
Schalke, RWE und MSV Duisburg sind abgestürzt
Um die Fußball-Pilgerstätten zu finden, die Menschen weit über die eigenen Stadtgrenzen bewegen, muss man nun tiefer schauen. Schalke 04 denkt nicht mehr an die Champions League, sondern bangt um den Klassenverbleib in der Zweiten Liga. Der 1. FC Köln ist näher dran an der Rückkehr in die Bundesliga, die jüngsten Transfersperren haben diese Mission jedoch erschwert. Fortuna Düsseldorf scheiterte zwar im Mai erst in der Relegation, erlebte jedoch Anfang der 2000er-Jahre viele dunkle Jahre, was ganze Fan-Generationen einen Bogen um die Fortuna machen ließ. Drittligist Arminia Bielefeld feierte gerade erst einen Coup mit dem Viertelfinal-Einzug im DFB-Pokal. Der Alltag ist grau. So geht ergeht es auch Alemannia Aachen oder Rot-Weiss Essen. Der MSV Duisburg ist sogar in die vierte Liga abgeschmiert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass all die genannten Vereine an ihrer Misere ein erhebliche Mitschuld tragen. Häufig spielte Größenwahn eine Rolle: nigelnagelneue Stadien oder sündhaft teure Kader.
So bleiben die beiden Borussias. 100.000 Mitglieder hat Gladbach, der BVB mehr als doppelt so viele. 218.000 sind es. Gladbach holte fünf Meisterschaften und gewann zweimal den Uefa-Cup. Der BVB siegte achtmal in der Meisterschaft und stemmte 1997 den Henkelpott in die Luft. Verbunden bleiben beide auch durch den 29. April 1978, durch das 12:0 der Fohlenelf – dem höchsten Sieg der Liga-Historie. In den vergangenen Jahren stritten sich beide um die Königsklassen-Qualifikation, Marco Reus spielte dabei vor allem in Schwarz und Gelb groß auf. Um Titel allerdings ging es nur selten, weshalb die Paarung nicht zum ultimativen Klassiker taugt. Gladbach hatte die erfolgreichste Zeit in den 1970er-, der BVB erst in den 1990er-Jahren und später unter Jürgen Klopp.
BVB: Nuri Sahin über Borussia Mönchengladbach
Auch in diesem Jahr ist es nicht das Duell an der Spitze. Dortmund will sich neu erfinden. Und Gladbach? „Traditionell hat Gladbach immer Qualität verloren, aber auch sehr viel dazubekommen“, sagt BVB-Trainer Sahin. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass man auf der Stelle tritt. Zehntausende kommen trotzdem. Auch am Samstag wieder.
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