Berlin. . Nach einem langen Ausflug in das normale Leben schwimmt Paul Biedermann bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin auf Anhieb wieder zum Titel. Ein Leitwolf aber will er aber noch nicht sein. Dabei ist er der aber einzig verbliebene große Name des deutschen Schwimmens.

Auf der riesigen Videowand des Berliner Europasportparks können die Zuschauer bei den Deutschen Schwimm-Meisterschaften nicht nur die Namen der Teilnehmer lesen. Zur Information sind auch der Deutsche Rekord und der Weltrekord vermerkt. In roter Schrift auf schwarzem Grund prangen der Name Paul Biedermann und die Ziffern 3:40,07. 2009 ist Biedermann diese 3:40,07 Minuten über 400 Meter Freistil geschwommen und hat damit bei den Weltmeisterschaften in Rom in Weltrekordzeit Gold gewonnen. Vier Jahre später schlug Biedermann am Freitag bei seinem Comeback bei den nationalen Titelkämpfen nach 3:47,89 Minuten an und unterbot als Meister die Norm für die Europameisterschaften im August ebenfalls in Berlin deutlich.

„Ich bin superglücklich, dass mir die Rückkehr geglückt ist,” freute sich der 27-Jährige, obwohl er mehr als sieben Sekunden über seinem Weltrekord geblieben war.

Bundestrainer Lambertz freute sich über die Rückkehr

Die Zeiten haben sich grundlegend verändert: Der Schwimmsport dieser Tage ist nicht mehr mit dem des Jahres 2009 zu vergleichen – und Paul Biedermann auch nicht. Bei der WM in Rom trug Biedermann einen dieser High-Tech-Anzüge, in denen die Schwimmer vom Auftrieb getragen und so die Arme viel später müde wurden. Biedermann war der Meister dieser seit drei Jahren wieder verbotenen Polyester-Pellen, die erst nach 30-minütigem, mühevollem Reinzwängen richtig am Körper saßen. Nicht nur über 400 Meter Freistil, sondern auch über 200 Meter Freistil siegte der Deutsche bei der WM 2009 in Weltrekordzeit. Auf dieser Strecke sogar vor Michael Phelps. Der US-Star feierte vor einigen Tagen sein Comeback. Während der mit 18 Goldmedaillen erfolgreichste Sportler der olympischen Geschichte bei seiner Rückkehr in das Wettkampfgeschehen weltweites Aufsehen erregte, ist bei Biedermanns Comeback mit Ausnahme einer amerikanischen Reporterin nur die nationale Presse vor Ort.

Auch interessant

Aber für den Deutschen Schwimm-Verband ist Biedermann enorm wichtig. Schließlich ist er nach dem Rücktritt seiner Lebensgefährtin, Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen, der einzig verbliebene große Name des deutschen Schwimmens. Kein Wunder, dass sich Henning Lambertz über die Rückkehr des Weltrekordlers freute. Ein Leitwolf solle Biedermann sein, erklärte der Chef-Bundestrainer. Aber sein Vorschwimmer lehnt diese Rolle ab. „Ein Leitwolf? Nein!”, erklärte Biedermann. „Ich muss erst wieder meinen Platz finden.”

Zweifel auf dem Weg zurück

Nach seinem olympischen Debakel 2012 in London mit dem bitteren Vorlauf-Aus über 400 und Platz fünf über 200 Meter Freistil wollte Biedermann eigentlich voll durchstarten. Eine verschleppte Infektion machte ihm jedoch einen Strich durch die hoffnungsvolle Rechnung, so dass er im Jahr 2013 pausieren musste. Es war ein Ausflug in das normale Leben. Nach der Ausheilung seines Infekts hatte er monatelang nur das gemacht, wozu er Lust hatte. Es war eine neue Erfahrung ohne Schinderei im Kraftraum, ohne kilometerlanges Kachelzählen im Chlor-Wasser. „Ich konnte das Leben ganz anders genießen“, sagt er, „alles relativiert sich. Die Schwimm-Welt ist so klein.”

Jetzt ist er wieder Teil dieser kleinen Welt. Und so sehr er die Normalität genossen hat, ist er nun gern wieder im Schwimm-Zirkus. „Es war viel Arbeit in den vergangenen Monaten”, sagte Biedermann, „manchmal habe ich auch Zweifel gehabt.” Auf die Frage, was ihn denn bei seinem Weg zurück ins Grübeln gebracht habe, musste der Schwimmprofi aus Halle an der Saale nicht lange nachdenken: „Ach, ich habe mir schon überlegt, was machst du jetzt hier? Bist du nicht zu alt? Aber nach dem Rennen weiß ich, dass es richtig war.” Ob Biedermann im Schwimm-Zirkus wieder zu einem Hauptdarsteller wird, muss sich noch zeigen. Den ersten Schritt hat er geschafft.