München. Nach der 1:5-Demütigung beim FC Bayern kritisierten einige Profis des FC Schalke 04 die taktischen Vorgaben von Trainer Jens Keller. “Wir haben die neue Formation nicht einmal zu zehn Prozent hinbekommen“, sagte Kevin-Prince Boateng. Klaas-Jan Huntelaar wurde deutlicher.
Kevin-Prince Boateng schüttelte den Kopf. "Ich habe überlegt, was ich Euch erzähle. Aber zu diesem Spielverlauf finde ich keine Worte", sagte der Schalker Mittelfeldstar a. D. nach der 1:5-Demütigung beim FC Bayern. Zum Spielverlauf fiel Boateng wenig ein - zu den taktischen Vorgaben von Trainer Jens Keller hingegen schon. "Wir haben eine neue Formation probiert. Das war die Entscheidung des Trainers. Wir haben probiert, es auszuführen, es aber nicht zu 100 Prozent, nicht einmal zu zehn Prozent hinbekommen", sagte Boateng. Er stellte die T-Frage. T wie Taktik. Und damit stand er nicht allein.
Nachdem die Schalker im Champions-League-Spiel gegen Real Madrid im üblichen 4-2-3-1-System mit 1:6 untergegangen waren, opferte Keller diesmal Spielmacher Max Meyer und setzte auf ein selbst im Training nur selten ausprobiertes 4-5-1 - und das bei der besten Mannschaft der Welt.
Vor der umgestellten Viererkette - Kyriakos Papadopoulos ersetzte den verletzten Felipe Santana - empfingen im Mittelfeld (von rechts nach links) Jefferson Farfan, Kevin-Prince Boateng, Roman Neustädter, Leon Goretzka und Julian Draxler die Bayern tief in der eigenen Hälfte. Sie sollten möglichst aggressiv die entscheidenden Pässe verhindern - und mit wenigen Kontern für Torgefahr sorgen. Die Bayern nutzten den Platz für atemberaubend schnelle Kombinationen, die selbst mit einer 10-0-0-Taktik schwer zu verteidigen gewesen wären.
Stürmer Huntelaar hinterfragt die Taktik
Nicht nur die Taktik-Experten von spielverlagerung.de schüttelten den Kopf. Deren vernichtende Analyse lautete nur: "Dieses Spiel kann als Paradebeispiel für eine fehlerhafte strategische und mannschaftstaktische Ausrichtung sowie gruppentaktische Abläufe dienen, unter welcher die Spieler litten, ohne dass sie individuell wirklich Schuld an dieser (wenn auch hohen) Niederlage waren."
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Auch der einzige Stürmer Klaas-Jan Huntelaar hinterfragte Kellers Taktik. "Wir waren in der ersten Halbzeit mit vielen Leuten hinten. Wenn man so viel zurückläuft gegen die Bayern, sind sie mit vielen Leuten an unserem Sechzehner. Dann kommt man schwer wieder nach vorn", erklärte Huntelaar. WAZ.de stellte die Klartext-Frage: "War es die falsche Taktik?" Huntelaar antwortete kühl: "Die Taktik ist nicht meine Sache." Eine Verteidigung des Trainers sieht anders aus.
In der zweiten Halbzeit wurde es besser - als Bayern 4:0 führte
Der Stürmer wies nur noch daraufhin, dass Schalker ab der 40. Minute wenigstens ab und an den Bayern-Strafraum betraten. Da verteidigten sie offensiver. Keller hatte schon in der 28. Minute reagiert und den völlig verwirrten Leon Goretzka ausgewechselt. Dafür kam Christian Fuchs ins Spiel. Fuchs stabilisierte die linke Seite, Draxler rückte ins Zentrum, Schalke attackierte früher. "Da war es deutlich besser", sagte Huntelaar.
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Allerdings ließen es die Bayern mit einer 4:0-Führung im Rücken auch deutlich ruhiger angehen. Deshalb beließ es Kapitän Benedikt Höwedes bei einer generellen Taktikkritik und sprach nicht von der besseren zweiten Hälfte: "Wir haben uns taktisch angestellt wie eine Schülermannschaft. Wir sind nicht in die Zweikämpfe gekommen, haben zudem individuelle Fehler gemacht, die eine Katastrophe waren."
Schalke-Kapitän Höwedes verteidigt Trainer Keller
Höwedes ließ allerdings keine Trainerdiskussion zu: "Die Spieler, die auf dem Platz standen, haben es verkackt. Wir brauchen nicht damit anzufangen, ob die Taktik falsch war oder nicht." Auch Manager Horst Heldt kritisierte die Spieler, nicht den Coach: "Jeder sollte bei sich selbst anfangen und schauen, was man diese Woche abgeliefert hat oder besser machen kann. Wenn wir jetzt in Alibis gehen, ist das der nächste falsche Schritt."
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Trotzdem ist auffällig, wie deutlich die Schalker Profis vor neun Tagen nach dem 0:0 gegen den FSV Mainz 05 die taktische Einstellung des Mainzer Trainers Thomas Tuchel lobten. Kevin-Prince Boateng sprach Tuchel sogar persönlich an. Der eigene Trainer konnte Boateng & Co. zumindest diesmal nicht überzeugen.