Duisburg. . Der Canadier-Olympiasieger von London, Sebastian Brendel, will bei der Kanu-Weltmeisterschaft in Duisburg Werbung für sich und seine Rand-Sportart machen. Brendel weiß: Selbst in seiner Heimat Potsdam ist der 25-Jährige weitestgehend unbekannt.
Er ist das Gesicht dieser Weltmeisterschaft. Das Konterfei von Sebastian Brendel ist auf den Plakaten der Kanu-WM zu sehen. Brendel ist der prominenteste Athlet des Deutschen Kanu-Verbandes und soll die Wassersport-Fans noch bis Sonntag an die Regatta-Strecke in Duisburg-Wedau locken.
In der Kanu-Szene ist der Canadier-Olympiasieger von London ein Star, aber der 25-jährige Brendel gibt zu, dass er selbst in seiner Potsdamer Heimat ein Nobody ist: „Ich kann in den Supermarkt gehen, ohne erkannt zu werden. Einerseits ist es schön, dass ich nicht in meiner Privatsphäre gestört werde, anderseits wünsche ich mir ein bisschen mehr Aufmerksamkeit.“ In erster Linie nicht für sich, sondern für seine Sportart.
Brendel hat in den vergangenen Monaten viel nachgedacht, warum die deutschen Kanuten zwar als eifrige Medaillensammler bei Olympischen Spielen geschätzt werden, doch schon kurz danach wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden sind. Eine Sportart in der Nische.
„Es ist doch kein Wunder, dass wir schnell in Vergessenheit geraten“, sagt Brendel. „Außer den Weltmeisterschaften gibt es noch drei Weltcups, in denen wir zu sehen sind. Das ist zu wenig. Ich bin dafür, dass eine Serie ähnlich wie in der Formel 1 mit 15 Wettkämpfen im Jahr eingeführt wird.“ Mit einem lukrativen Preisgeld. Anders als heute. Für seinen Sieg im Gesamt-Weltcup hat Brendel 5000 Euro kassiert.
Selbstvermarktung? Fehlanzeige
Nach seinem Triumph bei den Olympischen Spielen 2012 auf dem Lake Dorney glaubte Brendel, dass er sein Gold wenigstens ein wenig vermarkten könnte. Die bittere Realität: Über die Rolle des Local Hero ist er bisher nicht hinaus gekommen. Zwei neue regionale Sponsoren hat er gefunden.
Und deutschlandweit? Fehlanzeige. In Brandenburg wurde er zum Sportler des Jahres gekürt. Und deutschlandweit? Nicht einmal in die Top Ten wählten die Sportjournalisten den Canadier-Olympiasieger. Weit vor ihm landeten Silbermedaillengewinner wie der Turner Marcel Nguyen, der Stabhochspringer Björn Otto oder der Radprofi Tony Martin.
„Vielleicht sind wir Kanuten zu seriös, zu anständig, zu brav“, sagte Brendel in der „Welt“. „Es fehlen die polarisierenden Schlagzeilen. Scheiße zu bauen, nur um auf sich aufmerksam zu machen, wäre aber nicht mein Ding. Vielleicht sollte ich mal nackt paddeln.“
In Duisburg ist der Canadier-Fahrer mit der Adonis-Figur schon gestern ins Nationaltrikot geschlüpft und hat das Finale über 100 Meter am Samstag erreicht. Die Form stimmt, wie er schon mit Siegen in den drei Weltcups bewiesen hat. Und das, obwohl Brendel in diesem Jahr sein Trainingspensum deutlich zurück geschraubt hat.
„Ich musste etwas für meinen Beruf tun“, sagt Brendel. Vor Olympia hat er sein ganzes Leben auf den Sport ausgerichtet. „Um acht Uhr bin ich morgens zur ersten Trainingseinheit aufgebrochen. Um 18 Uhr war ich wieder zu Hause. Völlig kaputt. Total erledigt.“
Die Bundespolizei ist Brendels größter Sponsor
Im Frühjahr hat er den Lehrgang zum Polizei-Meister abgeschlossen. Die Bundespolizei ist Brendels größter Sponsor und zugleich seine Absicherung für die Zukunft. Reichtümer hat er sich nicht erpaddelt. Und selbst mit dem Gewinn des ersten Weltmeister-Titels wird sich für den Potsdamer nicht grundlegend etwas ändern. „Mir geht es nicht vornehmlich ums Geld“, sagt Brendel. „Die Familie ist mein Mittelpunkt. Sie ist das Allerwichtigste. Sie ist mir heilig.“
Große Eröffnungsfeier zur Kanu-WM
Seine Familie, das sind seine Freundin Romy, eine Ex-Kanutin von nationaler Spitzenklasse, seine Tochter Hanna – und sehr bald sein Sohn. „Ich hoffe, er kommt nicht auf der Tribüne in Duisburg zur Welt“, sagt Brendel. Romy und Hanna werden an der Strecke sein. Die damals zweijährige Hanna war Brendels erlaubtes Doping in London. „Papa, viel Glück“, hatte sie per Videobotschaft gewünscht. „In Duisburg kann ich sie sofort in den Arm nehmen“, freut sich Brendel.
In der Öffentlichkeit paddelt er um größere Anerkennung, für Hanna ist der Papa die Nummer eins.