Moskau. Robert Harting ist zum dritten Mal hintereinander Weltmeister im Diskuswerfen. Der 28 Jahre alte Olympiasieger aus Berlin setzte sich am Dienstagabend bei der Leichtathletik-WM in Moskau mit 69,11 Metern durch. Silber gewann der Pole Piotr Malachowski mit 68,36 vor Gerd Kanter aus Estland (65,19).
Robert Harting hat den Diskus wieder auf die goldene Umlaufbahn geschickt. Nach 2009 und 2011 distanzierte der Olympiasieger und Europameister von 2012 ein drittes Mal in Serie bei Weltmeisterschaften seine schwer gewichtigen Konkurrenten. Mit 69,11 Metern holte der 28-Jährige trotz Rückenproblemen auch im Moskauer Luschniki-Stadion den Titel. „Ich habe große Schmerzen igehabt“, sagte Harting nach seinem Triumph, „der Verschleiß ist da. So ist der Leistungssport. Ich wusste, ich muss noch einen draufpacken. Wenn man muss, dann ist das Adrenalin da. Das hilft.“
Harting ließ Fotografen beim obligatorischen Siegerfoto zappeln
Nach seinem letzten Wurf rannte Robert Harting sofort zu seinem fünf Jahre jüngeren Bruder Christoph, der das Finale als 13. verpasst hatte. Auf der Tribüne weinte Robert Hartings Freundin Julia Fischer, ebenfalls in Moskau in der Qualifikation gescheitert, Tränen der Freude. Die beiden halten ihre Beziehung privat. „Julia und mir ist wichtig, dass wir als Sportler wahrgenommen werden - und nicht als Lovestory“, sagte Harting. „Wir teilen uns bei der WM auch kein Zimmer. Wir sind Arbeiter, kein Glamour-Paar.“
Und Julia wurde dann natürlich auch Zeuge der speziellen Harting-Sieger-Show. Erst ließ er die Fotografen ein wenig zappeln, aber dann riss er sich das Nationaltrikot vom Leib. Zur Nachahmung nicht empfohlen, für Harting aber kein Problem. „Wenn ich mit beiden Händen am Shirt ziehe, wird eine Kraft von 120 Kilo frei“, sagt Harting. „Das hält kein Stoff der Welt aus. Da müsste man mir schon einen Teppich oder Ketten umlegen.“
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Silber holte Hartings Dauerrivale Piotr Malachowski aus Polen mit 68,36 m, Dritter wurde der Olympiasieger von 2008, Gerd Kanter aus Estland (65,19 m). Martin Wierig aus Magdeburg fehlten letztlich 17 Zentimeter zur Medaille, 65,02 m reichten nur zum undankbaren vierten Platz. Erfolgreicher als Harting war bei Weltmeisterschaften nur Lars Riedel, der zwischen 1991 und 1997 vier Titel holte und 2001 dann noch eine Goldmedaille draufsetzte.
Bevor der 2,01 Meter große und 126 Kilogramm schwere Hüne in den Diskus-Käfig stieg, redete er mit seinem Arm. Harting liebt Rituale. Nicht nur die Zerreißprobe mit dem Kunststoff-Shirt. Der Mann will alles jederzeit im Griff haben. Ritualisierte Handlungen geben das Gefühl von Kontrolle. „Arm der Vergeltung“ nennt er seinen Wurfarm, „Rudolph“ seinen Bizeps. Auf Rudolph könne er sich verlassen. Schließlich sollen Biomechaniker errechnet haben, dass er aus seinem Arm eine Leistung von 7 PS heraus holt. Natürlich hatte er auch wieder in seinen Bart zwei scharfe Pfeile rasiert. „Das ist meine Kriegsbemalung und die muss wirken“, sagt Harting. Im ersten Versuch tat sie es jedoch nicht. Als erster Werfer ging er in den Ring. Aus der erhofften Schockwirkung auf die Konkurrenz wurde nichts. 62,16 Meter – das hätte noch nicht einmal für den Endkampf gereicht.
Harting siegte trotz Rückenbeschwerden mit Alles-oder-Nichts-Methode
Harting kämpft in dieser Saison mit Technikproblemen. So war auch seine lange Siegesserie zu Ende gegangen. Einmal besiegte ihn der Pole Malachowski, einmal sein deutscher Teamkollege Martin Wierig. Nach seinem Olympiasieg hatten sich kleine Schnitzer eingeschlichen. „Man muss sich das so vorstellen: Man hat eine Kassette mit einem Lied drauf. Und das Lied bekommt Qualitätsverlust, weil es schon 10 000 Mal gespielt wurde“, sagte der Berliner, „also muss man schauen, dass man die Kassette neu bespielt, damit das Band wieder frisch ist.“
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Im zweiten Durchgang rief er dann die neubespielte Kassette ab. 68,13 Meter – Platz eins, zu diesem Zeitpunkt fast drei Meter vor dem Zweiten, dem Esten Gerd Kanter. Aber dann wurde es plötzlich hektisch um Harting. Im dritten Versuch warf er den Diskus in das Netz und klagte danach über Rückenprobleme. Seinem Wunsch, die Anlage verlassen zu dürfen, um sich vom deutschen Teamarzt wurde nicht entsprochen. „Das verstehe ich nicht“, sagte sein Trainer Werner Goldmann, „wenn er pullern muss, darf er doch auch raus.“
Auf den nächsten Versuch verzichten oder noch einmal alles riskieren? Harting entschied sich für die Alles-oder-Nichts-Methode. Und schaffte mit 69,11 Metern den Goldwurf. Damit hatte er sein Ziel erreicht, denn Harting kennt nur den Sieg. „Ich rede mir auch ein: Wenn ich nicht Gold hole, stirbt meine Sportart", meinte Harting. Dann werde der Diskuswurf wieder an den Rand gedrängt und „völlig unter der Elchkuh Fußball“ versinken.