München. . Der Saisonstart ist Bayern-Trainer Pep Guardiola gelungen. Und doch machen sich in München leise Zweifel breit. Was will der Mann, den die Sprache von seinen Spielern trennt? Wie stark ist das Band zwischen Trainer und Mannschaft und wie viel Änderung verträgt der Verein?
Nach sechs Wochen in München ist Pep Guardiolas Deutsch schlechter geworden. Es ist der normale Prozess eines Sprachschülers: Am Anfang formte der Katalane mit seinen wenigen deutschen Worten simple und korrekte Sätze, nun aber hat er enorm an Vokabular gewonnen und versucht, komplexere Gedanken mitzuteilen. Dabei verheddert er sich. In einigen Monaten sollten in der dritten Stufe bei Guardiola die Sätze zu fließen beginnen.
Doch in der Freitagnacht saß der neue Trainer von Bayern München wieder einmal mit der Hand an der Schläfe vor der Presse, verzweifelt, weil da drin im Hirn die deutschen Worte übereinander purzelten. Zu oft sind Pressekonferenzen nach Fußballspielen sterile Akte der politischen Korrektheit. Von Guardiolas Bundesliga-Debüt, dem 3:1-Sieg der Bayern über Borussia Mönchengladbach, lieferte nicht das Spiel, sondern die Pressekonferenz das entscheidende Bild: Der umschwärmteste Trainer der Welt ist in München auf der Suche nach Verständnis. In der neuen Sprache genauso wie im neuen Verein.
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Distanz zwischen Trainer und Spielern ist noch zu spüren
„Mit einem neuen Trainer ist es immer schwierig“, sagt Guardiola selbst. „Und mit meinem Deutsch ist es umso komplizierter, den Spielern zu erklären, was ich von ihnen will.“ Im schwungvollen, aber nur halbwegs geordneten Spiel zum Liga-Auftakt lebte der Champions-League-Sieger eher von in den Vorjahren erworbener Spielautomatismen und der Klasse seiner Drang-Spieler Franck Ribery, Arjen Robben, Toni Kroos als von neuen katalanischen Ideen. „Wir brauchen Zeit“, bat Guardiola. Nichts ist natürlicher als das. Doch nach den ersten sechs Wochen bleibt ein Unbehagen, ob sich diese Meisterelf und dieser Meistertrainer wirklich finden werden. Zu viele kleine Eindrücke belegen die Distanz, die bei der Annäherung zwischen Guardiola und den Bayern geblieben ist.
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Ein Mitarbeiter der sportlichen Führung betrachtete unlängst ein Training Guardiolas und raunte: „Wenn wir da mal nicht während der Saison konditionelle Probleme kriegen.“ Guardiola verzichtet, wie beim FC Barcelona erfolgreich erprobt, auf klassische Ausdauerübungen. Der deutsche Fußball definiert sich von jeher stark über die Fitness. Guardiolas Assistent Manel Estirate wiederum hatte während ihrer Zeit bei Barca elementaren Einfluss, er war eine Art Minister für menschliche Beziehungen, „er kann Probleme in der Umkleidekabine riechen“, sagt Guardiola. Doch in Bayern steht Estirate nur am Rand. Das fehlende Deutsch und Vertrauen verhindert seine substanzielle Mitarbeit. Im Verein rätseln sie, was der eigentlich mache, na ja, sei wohl ein persönlicher Guru vom Trainer oder so.
Schweinsteiger als Ebenbild Guardiolas?
Dutzende solcher Dissonanzen existieren, trotz des Bemühens auf beiden Seiten. Gegen Mönchengladbach sah man eine Elf auf der angestrengten Suche nach dem Einklang mit des Trainers Vorstellungen. Guardiolas Idee, Bastian Schweinsteiger in sein, Guardiolas, Ebenbild zu verwandeln, zwingt die ganze Offensive, sich an neue Positionen zu gewöhnen. So wie in den Neunzigern der junge Guardiola bei Barca soll Schweinsteiger als alleiniger Schutzmann vor der Abwehr aus der Tiefe das Passspiel ankurbeln. Er kommt aber gerade erst nach einer Operation zurück. Und es gibt generell Zweifel, ob er, ein wunderbarer Gestalter, über die Explosivität und Zweikampfkunst für die defensive Herkulesarbeit auf dieser Position verfügt.
Bayern schlägt Gladbach
Wieso, darauf laufen die Fragen der Deutschen hinaus, muss sich eine Mannschaft überhaupt ändern, die gerade alles gewonnen hat? Weil es für den FC Bayern mit Guardiola mehr zu gewinnen gäbe als Titel: erstmals die Zuneigung der Welt. „Reich und arrogant schafft es Bayern, dass die neutralen Zuschauer immer zum Rivalen halten“, schreibt die spanische Zeitung El Pais. Wenn es Guardiola in München gelingt, wie er möchte, das erfolgreiche Spiel mit einer künstlerischen Note zu versehen, könnte Bayern im globalen Markt der letzte Sprung auf die Höhe der anderen Schwergewichtler gelingen. Dazu müssten die Bayern Pep Guardiola vertrauen. Auch wenn sie ihn manchmal nicht verstehen.