Moskau. . Der Superstar der Sprinter will zu drei Gold-Medaillen eilen – Fragen zum Doping entkommt er schon blitzartig. Es gibt keine handfesten Vorwürfe gegen den Jamaikaner. Aber die Zahl der Skeptiker ist nach den jüngsten Skandalen um Tyson Gay und Asafa Powell ist gestiegen.
Der Mann, der so gern Faxen macht und mit dem Mund fast so schnell ist wie mit seinen Beinen, schnürte seinen Rucksack und eilte wortlos vom Trainingsplatz des Lushniki-Stadions. Usain Bolt müsse sich voll auf seine Auftritte bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau konzentrieren, teilte sein Manager der Weltpresse mit. Bolt sind die Faxen vergangen, weil er wegen der vielen Doping-Fälle der jüngsten Vergangenheit immer wieder Fragen beantworten muss, die er überhaupt nicht mag. Bolt plaudert gern über seine Vorliebe für schnelle Autos oder schöne Frauen, doch beim Thema Doping verzieht er meist das Gesicht.
Noch nie hat ein Superstar eine Sportart so verkörpert, wie es der Jamaikaner in der Leichtathletik tut. Und so richtet sich das weltweite Interesse am Sonntag (19.50 MESZ/ live im ZDF und auf Eurosport) auf Bolts Auftritt im 100-Meter-Finale. Viele verfolgen immer noch fasziniert die große Bolt-Show, bei anderen haben Misstrauen und Zweifel die einstige Bewunderung für diesen so locker, elegant und einzigartig schnell laufenden Jamaikaner verdrängt.
Powell und Gay sind nur die Spitze des Eisbergs
Über dem 100-Meter-Endlauf und damit auch über der gesamten Leichtathletik hängen dunkle Wolken. Die Doping-Fälle der vergangenen Wochen haben das Image beschädigt. Tyson Gay, der Weltbeste des Jahres aus den USA, und Bolts jamaikanischer Teamkollege und Vorgänger als 100-Meter-Weltrekordler, Asafa Powell, sind wegen positiver Dopingproben aus dem Verkehr gezogen. Aber sie bilden nur die Spitze des Eisbergs. Fünf Nationen sind besonders negativ aufgefallen: 50 Leichtathleten aus der Türkei, 43 aus Russland, 14 aus Kenia, zehn aus den USA und acht aus Jamaika brummen derzeit Sperren ab.
Gegen Bolt gibt es keine handfesten Vorwürfe. Aber nicht nur der beste deutsche Sprinter, Julian Reus aus Wattenscheid, der bei der WM auf den Einzug ins 100-Meter-Halbfinale hofft, fragt sich, warum ausgerechnet der Weltrekordler Bolt sauber sein soll, wenn acht andere aus den ewigen Top Ten des Dopings überführt worden sind. „Ich bin sauber“, beteuert Bolt, „ich versuche, hart zu arbeiten und schnell zu laufen.“ Der sechsmalige Olympiasieger will wie in Berlin 2009 das Triple über 100 und 200 Meter sowie in der Sprintstaffel schaffen. Vor zwei Jahren holte er nur zwei WM-Titel, weil er sich über 100 Meter einen Fehlstart leistete und disqualifiziert wurde. In Moskau wird ihm dies sicher nicht wieder passieren. Besiegen kann ihn eigentlich nur der US-Amerikaner Justin Gatlin, der bereits zweimal wegen Dopings gesperrt war. Es fehlen nämlich nicht nur die suspendierten Gay und Powell, sondern auch der jamaikanische Titelverteidiger Yohan Blake wegen einer Oberschenkelverletzung.
Lieber als über Doping redet Bolt auch über seine weiteren Ziele. Zunächst wolle er in Moskau seinen 200-Meter-Weltrekord (19,19 Sekunden) verbessern, um nach Olympia 2016 dies erreicht zu haben: „Wenn ich aufhöre, will ich zu den ganz Großen gehören. Ich will zu Pele und Muhammad Ali aufschließen.“
Zahl der Skeptiker ist größer geworden
An Bolt scheiden sich die Geister. Geniales Jahrtausend-Talent oder doch ein schamloser Betrüger? Nach den Doping-Skandalen im Sprinter-Zirkus ist die Zahl der Skeptiker größer geworden. Für Ex-Europameister Manfred Ommer, der Doping in den Siebziger Jahren zugegeben hat, ist es nur eine Frage der Zeit, wann Bolt erwischt wird. „Man wird ihn aus dem Verkehr ziehen“, glaubt Ommer, „es ist nicht ohne diese leistungssteigernden Mittel möglich. Sprinter aus der Karibik stellen sich die Frage: Nehme ich jetzt die Pille und werde Millionär oder bleibt die Blechhütte bis zum Lebensende mein Zuhause?“
Usain Bolt ist längst Multi-Millionär. Jeder weitere WM-Titel in Moskau macht ihn um 60 000 Dollar reicher. Ein neuer Weltrekord spült sogar 100 000 Dollar in die Kasse. Glaubwürdigkeit kann sich aber auch ein Usain Bolt nicht erkaufen.