London. Sabine Lisicki ist nach der Finalniederlage in Wimbledon nach Berlin zurückgekehrt. In der Hauptstadt wurde die Tennisspieler mit Jubel empfangen. Nachdem in ihrem ersten Grand-Slam-Finale die Nerven flatterten, glaubt die 24-Jährige an eine erneute Endspiel-Chance in der Zukunft.
Um die Mittagszeit hob Flug BA 0984 am Sonntag in London-Heathrow ab und stieg in den blauen Himmel. An Bord waren Tennistaschen, vollgepackt mit Erinnerungen, aber ein wertvolles Gepäckstück fehlte. Nichts hätte sich Sabine Lisicki mehr gewünscht, als mit der Replika der berühmten Schale nach Berlin zu fliegen, die kleine Nachbildung aber verbrachte den Tag noch in Wimbledon in der Nähe der Siegerin, Marion Bartoli. Die Französin hatte am Tag zuvor nach dem Finale sehr schön beschrieben, wie man sich fühlt, wenn man das wichtigste Turnier der Welt gewonnen hat. Und zwar so: „Selbst in einem perfekten Traum hätte ich nicht von einem perfekten Moment wie diesem träumen können.“
Keine Frage, Sabine Lisicki hatte sich diesen Samstag in Wimbledon anders vorgestellt. Hatte gehofft, sie würde auch diesmal so spielen wie während der ganzen Zeit des Turniers, in dessen Verlauf sie drei Grand-Slam-Siegerinnen besiegt hatte, darunter die scheinbar allmächtige Titelverteidigerin, Serena Williams.
Aber dann kam alles ganz anders. Sie schlief schlecht in der Nacht vorher, und die kleinen Besonderheiten des letzten Tages summierten sich zu einem Gefühl, mit dem sie nicht umgehen konnte. Es ist so leicht, beim Gedanken an die Nähe des ersehnten Titels nervös zu werden. Und es ist so schwer, diese Nervosität zu kontrollieren, zumal wenn einem die Kraft dafür fehlt. Bis zum Tag vor dem Finale hatte Lisicki das Gefühl gehabt, auf einer Wolke zu schweben, aber als die Wolken auseinander drifteten, stellte sie fest, dass sie nichts dagegen tun konnte. Sie war längst nicht mehr so frisch wie erhofft; sie hatte die physischen und psychischen Anstrengungen der Spiele zuvor unterschätzt.
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Und als es vorbei war, als das Finale verloren war, saß Sabine Lisicki auf ihrem Stuhl am Rande des Centre Courts, Tränen liefen über ihr Gesicht. Die zutiefst enttäuschte Verliererin mochte nicht hinschauen, als die fassungslos glückliche Siegerin auf die Tribüne kletterte und dort Vater Walter Bartoli in die Arme fiel. Schon während des Spiels hatte Sabine Lisicki die Tränen ein paarmal nicht zurückhalten können, und es war klar, wie schwer ihr die Siegerehrung fallen würde. Natürlich fiel einem in diesen Momenten der Zusammenbruch der Tschechin Jana Novotna vor 20 Jahren ein, die das Finale gegen Steffi Graf seinerzeit nach einem Doppelfehler bei einer Führung von 4:1 und 40:15 noch verloren und dann an der Schulter der Herzogin von Kent bitterlich geweint hatte.
Doch die kranke Herzogin kommt schon lange nicht mehr nach Wimbledon, der Herzog macht nicht den Eindruck, als könne man an seiner Schulter weinen, und so erledigte Sabine Lisicki die letzte, extrem schwere Aufgabe ohne Hilfe aus dem Königshaus. „Ich war einfach überwältigt von der Situation. Ich bin mir aber sicher, dass ich noch einmal die Chance bekommen werde, diesen Titel zu holen“, sagte Lisicki, und erneut kamen die Tränen: „Ich möchte meinem ganzen Team danken. Ihr wart immer für mich da.“ Dann erstickte ihre Stimme.
Hoffen auf die zweite Chance
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Die eigenen Nerven hatten ihr einen bösen Streich gespielt, in der Stunde, in der sie sich zur neuen deutschen Tennis-Queen krönen wollte. 17 Jahre nach dem letzten Titel von Steffi Graf verlor Lisicki auf dem heiligen Rasen des Tennis nach nur 81 Minuten 1:6, 4:6. Von Anfang an stand sie unter Druck; Bartoli feuerte hemmungslos drauflos, sie selbst versuchte sich zu wehren, doch es gab nirgendwo ein Fleckchen Sicherheit. Nicht beim Aufschlag, bei dem sich ihre Nervosität am deutlichsten zeigte, nicht bei den sonst so mächtigen Grundschlägen, die einmal kamen, aber dann dreimal nicht. „Ich wollte mich konzentrieren, aber es ging nicht“, erklärte sie hinterher. „Ich hab’s versucht, ich hab’s wirklich versucht“.
Wie sehr sie sich bemühte, die Dinge noch wenden, sah man vor allem Ende des zweiten Satzes, als sie drei Matchbälle abwehrte und ein Break erzwang, von 1:5 auf 4:5 herankam und man dachte, wenn sie jetzt den Ausgleich schafft, dann geht vielleicht noch was. Aber das ließ Bartoli nicht zu. Das letzte Spiel, mit dem sie den Titel gewann, war ihr bestes, der großartige Schlusspunkt eines selbstbewussten Auftritts.
Lisicki weint in Wimbledon
Einerseits hatte Lisicki Recht, als sie später sagte: „Das ist eine Gelegenheit, die du nicht jeden Tag bekommst.“ Serena Williams, die große Favoritin, hatte sie selbst aus dem Weg geräumt, Maria Scharapowa und Wiktoria Asarenka waren früh gescheitet und hatten den Weg zum Titel planiert. Andererseits hat sie noch mehr Recht, wenn sie davon überzeugt ist, sie habe nicht zum letzten Mal in der Kathedrale des Tennis um den Titel gespielt.
Sabine Lisicki ist erst 23, bei diesem Turnier war sie besser in Form denn je, und es liegt in ihren Händen, ob es eine zweite oder dritte Chance geben wird. Stimmt, man soll keine Verhandlungen mit den Mächten des Schicksals führen, und es gibt im Leben für nichts eine Garantie. Aber vielleicht wäre es doch sinnvoll, bei den Buchmachern eine kleine Wette zu platzieren, dass es bei Sabine Lisicki nicht so lange dauern wird.