London. Sabine Lisicki, die so großartig in Wimbledon gespielt hat, erging es wie so vielen Profis vor ihr. Der Akku war leer, viel zu leer für ein Endspiel. Es wird sich zeigen, ob ihr Finaleinzug dem darbenden Tennissport in Deutschland einen Schub geben kann. Ein Kommentar.

Zwei Wochen sind eine lange Strecke, zumindest bei einem Tennisturnier. Wer einen Grand-Slam-Titel gewinnen will, muss sieben Spiele gewinnen. Sieben Spiele! Immer volle Konzentration, alles abrufen, bloß kein Leistungsloch. Wer das schafft, ist ein großer Champion. Kompliment also an Marion Bartoli, ein toller Triumph.

Dass man sich trotzdem ein spannenderes Finale gewünscht hätte, versteht sich von selbst. Aber so ist der Sport. Sabine Lisicki, die so großartig in Wimbledon gespielt hat, erging es wie so vielen Profis vor ihr. Der Akku war leer, viel zu leer für ein Endspiel. Sie hatte Serena Williams im Viertlefinale nach einem 0:3 im dritten Satz noch geschlagen, und wie viel Kraft ihr das gekostet hat, belegt die Statistik.

Die Deutsche hatte im darauffolgenden Halbfinale gegen Agnieszka Radwanska mit 46 so genannten „unerzwungenen Fehlern“ im Vergleich mit Bartoli (10) eine geradezu unterirdische Bilanz, und die eigentliche Sensation war, dass sie es trotz so vieler verschenkter Punkte schaffen konnte, ins Endspiel einzuziehen. Aber Wunder gibt’s nicht im Abo, wie das Finale zeigte.

Tennis hat ein Imageproblem

Womöglich sind das nur Randaspekte, zumindest verglichen mit der Frage, ob die Berlinerin dem Tennis in Deutschland einen Schub geben kann. Aber streng genommen ist selbst diese Frage, die in der Ära nach Steffi Graf und Boris Becker so ermüdend oft gestellt wurde, vollkommen überholt. Weil es zuletzt immer nur eine Antwort gab: Nein.

Man muss sich nur die Mitgliederentwicklung des Deutschen Tennis Bundes angucken. Sie ist seit Ewigkeiten rückläufig. Schon seit Mitte der 90er Jahre, zu einem Zeitpunkt also, als Graf und Becker noch aktiv spielten, rauschen die Zahlen nach unten. Seitdem gibt’s Jahr für Jahr immer weniger Erwachsene und Jugendliche, die auf den Filzball schlagen. Der Sport hat ein Imageproblem. Offenkundig findet es die junge Generation nicht mehr cool, auf dem Tennisplatz zu stehen. Und so gesehen wäre es schon ein riesiger Erfolg, den Abwärtstrend zu stoppen. Ob das machbar ist? Wer sich die Altersstruktur in deutschen Tennisclubs anguckt, muss skeptisch sein. Ein paar Siege in Wimbledon reichen definitiv nicht aus.