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Gäbe es eine Prüfung auf Popstar-Tauglichkeit, Magnus Carlsen müsste sich wenig Sorgen machen. Der Norweger ist jung, sportlich, lässig und könnte sich gut auf Postern in Teenie-Zimmern machen. Er bringt eigentlich alles mit, was man von jemandem seiner Profession nicht erwartet: Magnus Carlsen ist Schachspieler. Der beste der Welt – mit gerade 22 Jahren.

Und das ist noch untertrieben: Schon als 19-Jähriger schaffte Carlsen es im Januar 2010 als bislang jüngster Spieler auf Platz eins der Weltrangliste, mit 13 Jahren erspielte er sich den Großmeistertitel, den Weltrekord des legendären Garri Kasparow von 2851 Weltranglisten-Punkten hat das einstige „Schach-Wunderkind“ auch schon einkassiert.

Nun schickt sich der Norweger an, den nächsten Titel einzusacken. Beim Kandidatenturnier zur Schach-WM misst sich Carlsen derzeit in London mit den ganz Großen der Branche wie etwa Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik. Als stärkster Widersacher entpuppt sich jedoch der Armenier Levon Aronjan.

Dem Sieger winkt Duell mit Weltmeister Anand

Mit dem Weltranglisten-Dritten lag Carlsen bis zur neunten Runde gleich auf, dann leistete sich Aronjan die erste Niederlage gegen den Vize-Weltmeister von 2012, Boris Gelfand aus Israel. Carlsen zog mit einem Remis gegen Kramnik vorbei und ist dem Zweikampf um die WM-Krone damit einen Schritt näher gekommen – der Sieger des Turniers darf im November Weltmeister Viswanathan Anand aus Indien herausfordern.

Magnus Carlsen in Aktion.
Magnus Carlsen in Aktion. © Getty Images

Bis zum 2. April müssen sich die acht Spieler über insgesamt 14 Runden beweisen; zwei Mal kämpft jeder gegen jeden. Ein Modus, der Carlsen in die Karten spielt. Denn eine Schachpartie auf höchstem Niveau fordert nicht nur den Geist, sie ist auch körperlich anstrengend. „Die Partien dauern ja im Durchschnitt zwischen vier und fünf Stunden, in denen man ständig auf einem hohen Erregungs- und Konzentrationsniveau spielt“, sagt Schachbundestrainer Uwe Bönsch. Da hilft es, nicht nur im Kopf fit zu sein.

„Er sieht das alles sehr als Kampf“

Carlsen hat das längst erkannt. Während andere Schach eher als Kunst oder Wissenschaft verstehen, steht er für die sportliche Komponente. „Er sieht das alles sehr als Kampf“, meint der Essener Großmeister Sebastian Siebrecht, der Carlsen sogar schon zwei Mal schlagen konnte – bei einem Schach-Blitzturnier und abseits des Bretts beim Tischtennis. „Das ist aber Jahre her, da war er noch ganz jung.“

Heute hätte Siebrecht wohl nur noch mit dem Schläger eine Chance. Wobei selbst das fraglich ist: „Carlsen ist für einen absoluten Topspieler unglaublich vielseitig interessiert“, sagt Siebrecht. „Er spielt zum Beispiel immer noch gerne Fußball oder fährt Ski.“

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Und auch sonst ist der Schach-Überflieger irgendwie anders. Er gibt wenig auf ausgeklügelte, computergestützte Start-Spielzüge, verlässt sich stattdessen lieber auf seine Intuition. „Dadurch, dass er nicht spezialisiert ist und eigene Ideen einbringt, ist er schwieriger auszurechnen“, erklärt Bundestrainer Bösch.

Carlsen pflegt unkonventionellen Stil

Ein unkonventioneller Stil, mit dem er die Weltelite anfangs ein wenig überrumpelt hat und der auch über den Sport hinaus Erfolg brachte. Als Model für die junge Modemarke G-Star Raw dürfte es der „Justin Bieber des Schach“, wie Carlsen vor allem von der englischsprachigen Presse genannt wird, tatsächlich an die ein oder andere Mädchentapete geschafft haben.

Auch wegen solcher Aktionen hoffen nun viele, Carlsen könnte Schach zurück zu alter Popularität verhelfen. So wie vor rund 40 Jahren, als sich der US-Amerikaner Bobby Fischer und der Russe Boris Spasski heiße Duelle im kalten Krieg lieferten.

Aus dieser Zeit datiert übrigens ein Rekord, den Carlsen bislang noch nicht übertreffen konnte: Fischers Dominanz mit 125 Punkten vor Spasski in der Weltrangliste.

Selbst ein solcher Fabel-Vorsprung ist dem jungen Mann, der aktuell lediglich mit 62 Punkten vor Kramnik in der Weltrangliste liegt, aber irgendwann einfach zuzutrauen.