Dortmund..
Beim Sparkassen Chess-Meeting beginnt nun die zweite Halbzeit. Seriensieger Wladimir Kramnik führt mit sage und schreibe 4,5 Punkten aus fünf Partien die Tabelle an. Am spielfreien Mittwoch schrieben die Schach-Großmeister fleißig Autogramme.
Kramniks vier Siege und ein Remis bedeuten eine 90-prozentige Punktausbeute. Die Traumquote des Russen ist für ein Turnier der Kategorie 20 mehr als ungewöhnlich. Damit peilt Kramnik unbeirrt seinen zehnten Turniersieg in Dortmund an, was ihm einen neuen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde bescheren dürfte.
Letztes Opfer des Exweltmeisters im Schauspielhaus war in der fünften Runde der Niederländer Anish Giri. Kramnik erteilte dem erst 17-jährigen Großmeister eine Lehrstunde, wie man seinen Gegner mit dem Läuferpaar und zwei starken Bauern in der Brettmitte an die Wand spielen kann. Zudem profitierte der Exweltmeister davon, dass sein ärgster Verfolger Ruslan Ponomarjow (Ukraine) am Nachbartisch gegen den Vietnamesen Le Quang Liem verlor. Es war der erste Sieg des Großmeisters aus Ho-Chi-Minh-Stadt bei diesem Turnier, wodurch er an Ponomarjow vorbeiziehen konnte.
Der 20-jährige Le Quang Liem liegt jetzt mit 3,0 Punkten auf dem zweiten Rang des Gesamtklassements. Aber der Abstand zu Kramnik ist schon beträchtlich, und kaum einer glaubt, dass der Schachkönig von Dortmund sich seinen zehnten Titel in der Rückrunde noch streitig machen lässt. Allerdings trifft Kramnik heute mit Schwarz noch einmal auf Ponomarjow, der sich bei dem Russen gern für seine Niederlage in der vorigen Woche revanchieren möchte. Voriges Jahr konnte „Pono“ den Exweltmeister einmal besiegen.
Auch die beiden Spieler am Tabellenende sorgten zuletzt für einen Paukenschlag. Der deutsche Großmeister Georg Meier und Hikaru Nakamura (USA) trennten sich in der bisher am meisten umkämpften Partie erst nach acht Stunden remis. Sie produzierten eine sogenannte Seeschlange von 150 Zügen! Es war das längste Spiel, das je bei den Dortmunder Schachtagen ausgetragen wurde.
Meier hatte sich mit Weiß eine ausgezeichnete Stellung erarbeitet, ließ dann aber einen für Nakamura günstigen Figurentausch zu. Ein Bauer mehr reichte für den Großmeister aus Trier nicht zum Gewinn, so dass er am Ende des kräftezehrenden Duells um Punkt 23 Uhr ins Remis einwilligen musste. Viele Zuschauer hatten bis dahin ausgeharrt und applaudierten den beiden Spielern, die bis zur letzten Figur gekämpft hatten.
Der Stand beim Sparkassen Chess Meeting nach fünf Runden: 1. Kramnik 4,5; 2. Le Quang Liem 3,0; 3. Ponomarjow 2,5; 4. Giri 2,0; 5.- 6. Nakamura, Meier je 1,5.
Begehrte Autogramme
Bis vor die Tür stehen die Autogrammjäger und spähen über die vor ihnen stehenden Köpfe hinweg, ob ihre Idole schon Platz genommen haben. Das zeige, so Gerd Kolbe, Veranstaltungsleiter des Chess Meetings, dass „nicht nur Fußballstars bei Autogrammen gefragt sind, sondern auch die Meister der 64 Felder.“
Die Autogrammstunde startet mit ein wenig Verspätung, da Hikaru Nakamura, der am Vorabend noch bis 23 Uhr eine Partie auszufechten hatte, noch nicht eingetroffen ist. Als dann alle Großmeister da sind, geht es auch schon los. Unterschrieben wird auf den Postern des 39. Sparkassen Chess Meetings, jeder in einer anderen Farbe. Auch von den Fans mitgebrachte Fotos, Biografien oder Bücher werden signiert, und auch eine Schachuhr wird in der Sparkasse über den Tisch gereicht.
Vorbild Kramnik
Matthias, 13 Jahre alt, hat die Meister auf seinem Übungsschachbrett unterschreiben lassen. Er ist eigens dafür angereist und spielt auch beim Open Turnier mit. Florian (15) und Benjamin (16) spielen seit elf und zwei Jahren. Ihr großes Vorbild ist die Schachlegende Wladimir Kramnik, mit dem sie hinterher sogar noch ein Foto machen können. „Wir würden ja gerne auch irgendwann da sitzen“, meint Benjamin, „aber ich glaube, dazu sind wir zu schlecht.“ Sie würden eher „gemütliches Bummelschach“ spielen, meint Florian.
Kurz vor 16 Uhr ist alles schon wieder vorbei, und die Stars verschwinden, um sich in Ruhe auf die zweite Halbzeit vorbereiten zu können.