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„Jetzt muss er nur noch über Wasser laufen.“ Der Mann, der dies sagte, heißt Viswanathan Anand und trägt den Titel des Schach-Weltmeisters. Schon vor über einem Jahr wählte der Inder den biblischen Vergleich mit Jesus, um die verblüffende Stärke des Magnus Carlsen in Worte zu fassen.

Aber so geduldig der gewiefte Stratege Carlsen am Schachbrett auf eine Schwäche seiner Konkurrenten wartet, so hurtig erreichte er den Gipfel. Seit dem 1. Januar ist der nun 19-Jährige als jüngster Großmeister aller Zeiten die Nummer eins der Weltrangliste. Carlsen erinnere ihn mit seinen brillanten und einfachen Zügen an Bobby Fischer, sagte Anand und prophezeite schon im Sommer 2008: „Magnus ist der kommende Weltmeister.“ Die endgültige Wachablösung ist aber verschoben: Durch das komplizierte Regelsystem des Welt-Schachverbandes kann Carlsen frühestens im kommenden Jahr Weltmeister werden.

Magnus Carlsen.
Magnus Carlsen. © Unbekannt | Unbekannt





Carlsen ist seit 1972 nach Bobby Fischer der erste Schachspieler aus dem Westen, der die Weltrangliste anführt. Den Vergleich mit dem US-Amerikaner lässt sich Carlsen gern gefallen, solange es um die Raffinesse auf den 64 Feldern des königlichen Spiels geht. Doch im richtigen Leben ist Carlsen der Gegenentwurf zu dem exzentrischen Fischer, der erst mit seinem spektakulären WM-Sieg 1972 in Reykjavik gegen den Russen Boris Spasski einen Schach-Boom auslöste, um sich dann mit einer Vielzahl von Skandalen selbst Matt zu setzen.

Carlsen ist nicht der skurrile Besessene, von denen es einige in der Schach-Szene gibt. „Ich bin kein Freak, ich bin normal“, sagte er jetzt in einem Interview mit dem US-Magazin Time. Alles andere als normal ist jedoch sein fotografisches Gedächtnis. Mit zwei Jahren verblüffte er die Familie beim Puzzeln, mit fünf Jahren kannte er alle Hauptstädte der Welt auswendig. Mit Schach begann er erst mit neun Jahren. Mit 13 war er schon Großmeister, mit 17 Weltklasse. Als Ausgleich zum stundenlangen Brüten über komplizierte Stellungen versuchte er sich als Skispringer. Bis heute spielt in seiner Heimatstadt Lommedalen in einer Fußball-Mannschaft. Ganz so gut wie sein früherer Trainer geht Carlsen jedoch nicht mit dem Leder um: Simen Agdestein spielte erst in Norwegens Fußball-Nationalteam, ehe er Norwegens Nummer eins im Schach wurde.

Inzwischen hat ihn Carlsen längst abgelöst. Und der Nachfolger als Trainer ist auch noch mehrere Nummern größer. Seit einem Jahr arbeitet Carlsen mit Ex-Weltmeister Garri Kasparow zusammen. Bis jetzt ist Kasparow mit 22 Jahren der jüngste Weltmeister der Schach-Geschichte. Kasparow will mithelfen, dass er diesen Rekord bald verliert.