Kamen. Tobias Koch ist Deutschlands jüngster Zielbild-Auswerter der Leichtathleten. Und weil das Berliner Organisationskomitee (BOC) seine Arbeit schätzt, betraut sie ihn bei den Weltmeisterschaften (15.-23. August) mit einer noch größeren Herausforderung.

Millimeter und Hundertstel-Sekunden sind entscheidend. Strahlt der Leichtathlet im Blitzlichtgewitter der Fotografen mit einer Goldmedaille um den Hals? Oder verlässt er das Stadion durch den Hinterausgang? Wenn Wimpernschläge über Sieg oder Niederlage entscheiden, ist funktionierende Technik gefragt. Und Menschen, die die Technik beherrschen und ein waches und geschultes Auge haben.

Gerade bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin (15.-23. August) wollen sich die Ausrichter im besten Licht präsentieren und haben ihre Kampfrichter ausführlich geschult. Und noch bevor die Leichtathleten um Ruhm und Ehre auf der blauen Bahn springen, sprinten und werfen, hat Tobias Koch still und leise im Hintergrund einen Titel gewonnen: Er ist Deutschlands jüngster „nationaler Zielbild-Auswerter“ und die WM seine bislang größte Herausforderung. "Ich empfinde es als ganz große Ehre", sagt der 23-Jährige.

Herausragendes Talent

Sporttechnik

Das BOC setzt im Bereich der Sporttechnik zirka 2300 ehrenamtliche Mitarbeiter ein. Diese Mitarbeiter sind älter als 18 Jahre, in Ausnahmefällen und unter Einhaltung der gesetzlichen Arbeitschutzbestimmungen auch Helfer aus Sportvereinen Ü16.

Tobias Koch war der jüngste Teilnehmer an der Ausbildungsmaßnahme zum Nationalen Zielbild-Auswerter, der die Prüfung erfolgreich absolviert hat. Er ist somit in Berlin, wie der Sporttechnik-Manager Christian Vlach des BOC auf WAZ-Anfrage mitteilte, der jüngste Kampfrichter mit der entsprechenden Ausbildungsstufe.

Eigentlich setzt der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) auf Erfahrung und weniger auf jugendlichen Enthusiasmus. So fordert der DLV ein Mindestalter von 25 Jahren für Kampfrichter, die sich auf diesen technischen Bereich spezialisieren. Doch Tobias Koch ließ sich schon 2007 zum Zielbild-Auswerter schulen.

Bei diesem Lehrgang erntete er von den Teilnehmern erstaunte Blicke. Alle anderen hatten die 30 schon längst hinter sich gelassen, Tobias Koch stand kurz vor seinem 21. Geburtstag. Doch wie der Jungspund erst später erfuhr, hatte er den Lehrgang als Bester absolviert. Jetzt ist er 23 und wird als Kampfrichter in Berlin arbeiten. Für ihn hat auch das Berliner Organisationskomitee eine Ausnahme gemacht.

Ganz besondere Aufgabe

Und die Ehre geht sogar so weit, dass er in Berlin bei der WM gemeinsam mit einer Hamburger Kollegin im Bereich Videoweitenmessung beim Weit- und Dreisprung eingesetzt wird. Die beiden sind die ersten in Deutschland, die mit dieser Technik und den dafür vorgesehenen Geräten in Kontakt kommen.

Diese Bilder gehören bald der Vergangenheit an, aber noch ist die optische Weitenmessung bei internationalen Wettkämpfen der Standard.
Diese Bilder gehören bald der Vergangenheit an, aber noch ist die optische Weitenmessung bei internationalen Wettkämpfen der Standard. © imago

Der Kamener gerät ins Schwärmen, wenn es um die Feinheiten der Technik geht, um die Aufgabe, die ihn in Berlin erwartet. Die Weite wird bei der Videoweitenmessung über Standbilder einer Videokamera gemessen. Doch es handelt sich nur um eine Zweitmessung, denn in Berlin gilt noch die optische (trigonometrische) Weitenmessung als Standard. Aber ihre Tage sind gezählt. Die Erfahrungen, die Tobias Koch in Berlin mit der neuen Technik sammelt, fließen in die Vorbereitung der nächsten Olympischen Spiele 2012 in London ein: Dann soll spätestens auf die Videomessung umgestellt werden.

Auch Christian Vlach, BOC-Manager im Bereich Sporttechnik, ist von den neuen Möglichkeiten begeistert: "Das Verfahren verkürzt die Zeit und es muss weniger Personal und Equipment direkt an der Grube positioniert werden“, sagt er. „Das verbessert den Blick für die Zuschauer vor dem Fernseher, aber auch im Stadion.“

Enthusiasmus zählt

Tobias Koch, der an der Ruhr-Universität Bochum Sportwissenschaften und Geographie studiert, ist bei seiner gesamten Arbeit nicht auf die finanzielle Entlohnung aus. In Berlin bei der WM macht er den Job für Essens-Marken und den freien Eintritt ins Stadion, wenn denn keine Sprungwettbewerbe stattfinden. Ihn stört’s überhaupt nicht: „So nah dran werd’ ich nie wieder bei einer WM dabei sein.“