Schladming. . Der schwere Unfall von Lindsey Vonn zum Auftakt der alpinen Weltmeisterschaften in Schladming war der negative Höhepunkt eines denkwürdigen Tages. Erst um 14.30 Uhr - nach 13 Verschiebungen und 210 Minuten - konnte das Rennen gestartet werden, ehe es wenig später wieder abgebrochen wurde.

Ein lauter Schrei des Schocks hallte durch den Zielraum. Die Zuschauer mussten das mit anschauen, was man bei Skirennen nicht sehen will. Laura Kildow verdeckte mit beiden Händen ihr Gesicht. Die US-Amerikanerin wollte beim Super-G der Damen beim Auftaktrennen der Alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Schladming ihrer Schwester die Daumen drücken. Laura Kildows laute Anfeuerungsrufe gingen in leises Schluchzen und stilles Entsetzen über, als ihre Schwester Lindsey Vonn nach etwa 45 Fahrsekunden am Posersprung bei der Landung wegknickte, sich überschlug und vor Schmerzen schreiend im Schnee liegen blieb.

Der schlimme Sturz der wohl besten Super-G-Fahrerin der Ski-Geschichte überschattete die erste Entscheidung dieser Weltmeisterschaften, die nicht nur ganz Österreich in Ski-Begeisterung versetzen sollte und stattdessen mit einem Skandal-Rennen endete.

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Als die Slowenin Tina Maze, die Schweizerin Lara Gut und die US-Amerikanerin Julia Mancuso bei der Siegerehrung ihre Gold-, Silber- und Bronzemedaillen erhielten, war Lindsey Vonn längst mit einem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen worden. Die folgenschwere Diagnose der Ärzte: Ein Riss des vorderen Kreuzbandes, ein Riss des Innenbandes und eine Fraktur des Schienbeinkopfes im rechten Knie. Das teilte der medizinische Direktor des US-Ski-Teams, Kyle Wilkens, am Dienstagabend mit. Die Saison ist für die Abfahrts-Olympiasiegerin von Vancouver 2010 beendet. Und selbst die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 2014 im russischen Sotschi könnte bei Komplikationen in Gefahr geraten.

13 mal den Start verlegt

Der schwere Unfall war nur der negative Höhepunkt eines denkwürdigen Tages. Um 8 Uhr rutschten die WM-Teilnehmerinnen zur Besichtigung der Strecke den Hang herunter, um 14.30 Uhr, also sechseinhalb Stunden später und damit 210 Minuten nach dem vorgesehenen Starttermin, ging das Rennen nach 13 Verschiebungen los – und um 16.05 Uhr brach der Norweger Atle Skaardal, der Renndirektor des Welt-Skiverbandes, nach 36 von 59 gemeldeten Läuferinnen endlich das Rennen ab. Da die Mindestzahl von Starterinnen erreicht wurde, wird das Ergebnis gewertet. Viktoria Rebensburg erreichte als Achte die beste deutsche Platzierung, Maria Höfl-Riesch schied nach nicht einmal 20 Sekunden aus.

Zwei Tage vor dem Schwarzen Dienstag hatte Lindsey Vonn unweit des Schladminger Zielhangs für die überkonfessionelle christliche Bewegung „Christus erleben – in Körper, Geist und Seele“ einen Vortrag gehalten. Vor über 100 Gläubigen schwärmte sie: „Ich komme zum ersten Mal gesund und ausgeruht zu einem Großereignis.“ 48 Stunden später bangt sie nun um die Fortsetzung ihrer Karriere. Vonn ist die erfolgreichste aktive Skirennläuferin. Mit 59 Weltcupsiegen war sie auf dem besten Weg, die Österreicherin Annemarie Moser-Pröll (62 Siege) als Rekordhalterin abzulösen.

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Liebelei mit Golf-Star Tiger Woods?

Aber Vonn macht nicht nur auf der Piste Schlagzeilen: Ihr Privatleben beschäftigte die Regenbogen-Presse. Erst sorgte sie mit ihrem Geständnis, seit ihrer Trennung von Thomas Vonn an Depressionen zu leiden, für Aufsehen. Dann drehte sich alles um eine angebliche Liebelei mit Golf-Star Tiger Woods. Kommt er oder kommt er nicht? „Ruft ihn an“, antwortete Vonn auf die Frage, ob Woods sie in Schladming anfeuern werde. Vielleicht könnte sie die Unterstützung des Golf-Stars gebrauchen.

So gespannt das Verhältnis von Vonn und Tina Maze zuletzt war, am Dienstag fühlte die Slowenin mit der US-Amerikanerin. Vergessen der Disput um Vonns angeblichen Fuck-You-Ruf zu Maze, die neue Weltmeisterin tröstete die schwer Verletzte: „Es war ein Schock. Ich hoffe, Lindsey geht es bald wieder gut.“

Auch Maria Höfl-Riesch schied aus

Der Alpin-Direktor des Deutschen Ski-Verbandes, Wolfgang Maier, kritisierte die WM-Organisatoren. „Man wollte die beste WM ausrichten, die es je gab“, sagte er, „man hat ein Eigentor geschossen. Ein Star des alpinen Skisports ist nun außer Gefecht.“ Maier sah nicht nur den Sturz von Vonn, sondern auch, wie sein Schützling Veronique Hronek in aussichtsreicher Position an einem Tor vorbei fuhr und wie Maria Höfl-Riesch früh ausschied.

„Ich weiß nicht genau, was passiert ist“, sagte Riesch und gestand: „Es war eher ein Problem von mir.“ Die Doppel-Olympiasiegerin hatte durch den Sturz ihrer neuen-alten Freundin auf ihren Start warten müssen. Natürlich sei dies nicht vorteilhaft gewesen. Aber dann sprach die 29-Jährige die Worte des Tages: „Ich bin erst mal froh, dass ich an einem so verrückten Tag heil unten angekommen bin.“