Wolfsburg. . Im DFB-Pokal-Achtelfinale treffen der VfL und Bayer direkt aufeinander. Der eine Werksklub erlebt derzeit, was der andere bereits hinter sich hat.

Es ist ein privilegierter Blick, den Stephan Grühsem aus dem zwölften Stück des Verwaltungshochhauses der Volkswagen AG genießt. Scheinbar ins Unendliche ziehen sich auf der einen Seite die Werkshallen, während auf der anderen die zur Weihnachtszeit illuminierten Schornsteine herausragen. Und gleich dahinter schimmert die grüne Beleuchtung der werkseigenen Fußball-Arena, wo an diesem Mittwoch das Pokal-Achtelfinale zwischen dem VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen (19 Uhr) steigt. Grühsem, Leiter der Konzernkommunikation und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Fußball GmbH, hat auch hier besten Blick. Denn wenn in der Arena der Ball rollt, dann gilt es für seinen Arbeitgeber, die Faszination des Fußballs zu nutzen.

„Ich kenne keine andere Sportart, in der durch alle gesellschaftlichen Bereiche ein Interesse entfacht wird“, sagt der 50-Jährige. „Da sitzt der Pastor neben dem Discothekenbesitzer.“ Der Autobauer unterstützt Profivereine, tritt als DFB-Pokal-Partner auf oder gibt den Namen für einen Fernsehtalk. Der Doppelpass funktioniert. Grühsem: „Im Umfeld eines renommierten Fußballvereins lassen sich die Produkte verkaufen. Die Marktanteile von Audi in der Region München sind seit anderthalb Jahrzehnten stetig gestiegen.“

Sport stiftet Identifikation

Nicht viel anders ist die Sache bei der Bayer AG gelagert, wo der Sport früh Identifikation gestiftet hat. „Wenn heute jemand gefragt wird, was er mit Bayer verbindet, nennt er zumeist zuerst Aspirin, Pharmaprodukte und Chemie – dann kommen aber schon Fußball und der Sport“, erläutert Meinolf Sprink, Kommunikationsdirektor bei Bayer Leverkusen.

Hier wie dort wird die Fußball GmbH als hundertprozentige Tochter geführt. Mit allen Verpflichtungen für den väterlichen Konzern. In Wolfsburg gehen Experten von einer Unterstützung von rund 70 Millionen Euro jährlich aus – bestätigt werden die Zahlen nicht. In Leverkusen machen sie die saisonale Zuwendung von 25 Millionen Euro hingegen öffentlich. „Der Werbewert liegt deutlich darüber“, behauptet Sprink. Allerdings gab es auch andere Zeiten – als Reiner Calmund noch mit dem Scheckbuch wedelte, soll sich irgendwann ein Defizit von 200 Millionen Euro aufgetürmt haben.

Konzept war in Wolfsburg zuletzt nicht zu erkennen

Seitdem erfolgte ein Umdenken. Und die Personalpolitik einem klaren Plan: Talente begeben sich heute für gutes Geld gern unters Bayer-Kreuz. Und Wolfsburg? Ein Konzept war zuletzt nicht zu erkennen. Grühsem räumt denn auch ein: „Wir müssen uns mit dem VfL erstmal wieder etwas erarbeiten. Am liebsten möchte ich in ein paar Jahren Headlines lesen über junge Fußballer aus der Region, die wir zu den Profis holen.“

Das sind neue Töne am Mittellandkanal, wo die Entscheider gerade jenen schmerzhaften Erfahrungsprozess durchleben, den sie am Rhein schon hinter sich haben. Grühsem gibt sogar zu, 2009 in eine Höhenluft gehievt worden zu sein, die dem Standort nicht gut bekam: „Vielleicht waren wir nach Meisterschaft und Champions League alle zu sehr euphorisiert.“ Für den neuen Geschäftsführer Klaus Allofs hat die neu ausgerufene Bescheidenheit den Vorteil, nicht so schnell mit Titelvorgaben konfrontiert zu werden. Doch ein bisschen mehr als der aktuelle Platz 15 sollte es schon sein.

Der VfL versucht sich daran, den durch die Großmannssucht von Felix Magath entstandenen Imageschaden zu reparieren. Grühsem behauptet, man sei nun an „an Nachhaltigkeit und Langfristigkeit“ interessiert. „Dann stehen wir auch irgendwann wieder oben.“