Essen/London. Ruderin Nadja Drygalla distanziert sich in einem dpa-Interview ausdrücklich von der rechtsextremen Szene. Sie habe sogar überlegt, sich von ihrem Freund zu trennen, als dieser für die NPD kandidierte. Aus dem Olympischen Dorf sei sie abgereist, um die Belastung von der Mannschaft zu nehmen.

Ruderin Nadja Drygalla hat in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärt, dass sie nie der rechtsextremen Szene angehört habe und ihr Freund sich aus dieser zurückgezogen habe. Die 23-Jährige hatte vergangene Woche das Olympische Dorf in London verlassen, nachdem bekannt wurde, dass sie mit einem Mann liiert ist, der in der rechtsextremen Szene engagiert war.

Laut Drygalla habe das NPD-Engagement ihres Freundes die Beziehung sehr stark belastet: "Es gab auch den Gedanken an Trennung." Im Mai soll er aber aus der NPD ausgetreten sein. "Ich denke, dass ich schon einen ziemlichen Anteil habe", sagte die Ruderin. Ihren Abschied aus London begründete Drygalla mit dem Rummel um ihre Person: "Ich wollte einfach die Belastung von der Mannschaft nehmen, die zum Teil immer noch im Wettkampf steckte und sich darauf konzentrieren sollte."

Thiel lehnt "Agenten-Methoden" ab

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sieht angesichts angesichts der Affäre um die Rostocker Ruderin Nadja Drygalla keine Veranlassung, Sportler auf ihre politische Gesinnung hin zu überprüfen. "Wir brauchen keine Agenten-Methoden", sagte DOSB-Vizepräsidentin Christa Thiel der "Sport Bild" laut einer Vorabmeldung vom Montag. Sie stellte klar: "Ich will keine Inspektionen des privaten Umfeldes der Sportler." Thiel fügte an, der DOSB werde keine Akten zu Sportlern anlegen, es gelte schließlich Datenschutzgesetze einzuhalten.

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Caffier weist alle Schuld von sich 

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier hat jegliche Verantwortung für den fehlenden Informationsfluss im Fall Nadja Drygalla von sich gewiesen. 'Den DOSB im Zuge der Athletenauswahl zu informieren, wäre Sache der Sportfunktionäre gewesen, die von uns von Anfang an einbezogen worden sind', sagte Caffier im Interview mit der Ostsee-Zeitung.

Das zuständige Fachreferat im Ministerium für Inneres und Sport habe in einem Arbeitsgespräch mit dem Landessportbund, dem Olympiastützpunkt und dem Landesruderverband darüber informiert, 'dass das bestehende Ausbildungsverhältnis mit Frau Drygalla im gegenseitigen Einvernehmen beendet werden soll', sagte Caffier.

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'Nachdem sie keine Polizeianwärterin mehr war, war ich als Dienstherr nicht mehr für sie zuständig. Und ich darf schon aufgrund des Datenschutzes keine Inhalte aus den Personalgesprächen an die Sportfunktionäre weitergeben', sagte Caffier, der gemeinsam mit DOSB-Generaldirektor Michael Vesper im Aufsichtsrat der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) sitzt.

Mit der Entlassung aus dem Polizeidienst sei Drygalla auch kein Mitglied der Sportfördergruppe mehr gewesen, zu der in Mecklenburg-Vorpommern nur neun Athleten gehören, ergänzte der CDU-Politiker: 'Dass ein Polizeibediensteter um Entlassung bittet, kommt sehr selten vor, erst recht bei Mitgliedern der Sportfördergruppe. Es dürfte also bekannt gewesen sein, warum eine Auflösung des dienstlichen Verhältnisses stattgefunden hat.'

Angeblich keine Erkenntnisse über eine mögliche rechte Gesinnung

Caffier war Dienstherr der Ruderin Drygalla, bis diese im September 2011 einen Antrag auf Entlassung stellte. Caffier hob hervor: 'Ich habe sie nicht entlassen. Uns waren ihre Kontakte zu Rechtsextremisten bekannt. Daraufhin hat es intensive Gespräche mit ihr gegeben, an deren Ende sie von sich aus einen Antrag auf Entlassung gestellt hat.'

Mit diesem Wissen hatte Caffier in einer Feierstunde für Mecklenburg-Vorpommerns Olympiastarter auch Drygalla nach London verabschiedet. Mit Blick auf diesen Termin sagte er: 'Auf welcher rechtlichen Grundlage hätte ich die Teilnahme einer Athletin an den olympischen Spielen in Frage stellen können? Die Sportlerin wurde von staatlich unabhängigen Gremien ausgewählt. Da gibt es eine klare Trennung zwischen Staat und Sport.'

Caffier hob hervor, dass ihm keine Erkenntnisse über eine mögliche rechte Gesinnung Drygallas vorliegen. 'Ob Frau Drygalla selbst mit rechtsextremistischem Gedankengut sympathisiert, wissen wir nicht. Sie ist während ihrer Ausbildung zur Polizistin nie mit rechtsextremen Äußerungen oder ähnlichen Dingen aufgefallen', sagte Caffier: 'Als Olympiateilnehmerin hat sie die olympische Charta unterschrieben und sich damit zu den Regeln und Werten Olympias bekannt.'

Drygalla, Mitglied des Frauen-Achters in London, hatte das deutsche Team am Freitagmorgen nach einem längeren Gespräch mit dem Chef de Mission Michael Vesper verlassen und die Heimreise angetreten. (we/sid/dapd)