Die Ruderin Nadja Drygalla hat wegen ihrer Beziehung zu einem Rechtsradikalen die deutsche Olympiamannschaft verlassen. Wie aber kann es sein, dass die Sportverbände vorher nichts von den Kontakten der Sportlerin wussten? Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses will die Frage lückenlos geklärt haben.
Sie blieben auch am Samstag bei ihrer Darstellung: Nichts gewusst habe man von den privaten Verbindungen der Ruderin Nadja Drygalla in die rechtsextreme Szene. Gar nichts. Das erklärten der Präsident des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV) Siegfried Kaidel und Sportdirektor Mario Woldt. In der Ruder-Szene selbst aber wurde schon lange offen gesprochen. "Wir haben intern öfter darüber diskutiert, dass wir solche Haltungen nicht tolerieren. Bei ihr war es ein offenes Geheimnis", sagte Carina Bär aus dem deutschen Doppel-Vierer. Sie unterstrich ausdrücklich, dass damit die politische Gesinnung Drygallas gemeint sei. Mehrere andere Athleten bestätigten dies ebenfalls, wollten aber nicht zitiert werden.
Das Drei-Affen-Prinzip
Die 23 jährige Drygalla war bereits im Herbst 2011 aus dem Polizeidienst ausgeschieden, auch im Internet sind bereits seit langem Hinweise zu finden, dass die Sportlerin eine private Verbindung zu einem der rechtsextremen Szene nahestehenden Mann pflegt.
Beim DRV, so lassen es die Fakten vermuten, herrschte in dieser Angelegenheit aber das "Drei-Affen-Prinzip". Nichts hören, nicht sehen, nichts sagen - oder anders: Augen zu und durch bis Olympia. Der Verband steckte in einer Zwickmühle: Die Athletin war sportlich qualifiziert und nie mit verfassungsfeindlichen Äußerungen öffentlich aufgefallen. Eine Nicht-Berücksichtigung wegen ihrer privaten Beziehungen wäre möglicherweise von den völlig Falschen propagandistisch ausgeschlachtet worden. So ist das Problem erst nach dem Ausscheiden des Frauen-Achters publik geworden, als Drygallas sportliche Aufgabe bereits beendet war.
Schon 2011 Gespräche mit Drygalla geführt
Es scheint unwahrscheinlich, das niemand von der privaten Beziehung der Rostockerin gewusst hat. Auch weil diese mit der Entscheidung, den Polizei-Dienst zu verlassen auch aus dieser Sportfördergruppe ausschied. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier wundert sich. "Es hat schon 2011 sehr intensive Gespräche mit ihr gegeben, in die auch der Landessportbund und ihr Verein einbezogen waren", sagte Caffier.
Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Viola von Cramon, hat die Frage aufgeworfen, "ob die fördernden Sportverbände im Vorfeld nur ahnungslos waren oder bewusst beide Augen zugedrückt haben". Die Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, Dagmar Freitag, sagte: "Es ist völlig unvorstellbar, dass jemand aus einer solchen Fördergruppe ausscheidet und niemand, aber absolut niemand, will etwas davon gewusst haben. Das muss schonungslos geklärt werden." Und außerdem stelle sich ihr die Frage: "Was hat der Laufbahnberater am Olympiastützpunkt gewusst, warum hakt der nicht nach?"
Thomas Bach übte dagegen am Samstag seinerseits Kritik an voreiligen Wortmeldungen. "Ich bin nicht nur verwundert, sondern erbost über Äußerungen aus der Politik in Deutschland, die da besagen, das war ja schon alles bekannt", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) bei einer Pressekonferenz in London. "Da kann ich nur fragen: warum hat man uns das dann nicht gesagt, wenn sie es gewusst haben, und warum äußern sie sich jetzt und nicht schon damals bei der Nominierung", sagte Bach.
Vereinsvorsitzender beklagt Sippenhaft
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), dessen Ministerium der bedeutendste Sportförderer für olympische Athleten ist, hat den Fall bereits mit Olympia-Delegationschef Michael Vesper erörtert, um sich ein umfassendes Bild zu machen. Nach den Spielen werde es weitere Gespräche mit der 23 Jahre alten Athletin aus Rostock geben, kündigte Bach an. Man müsse klar unterscheiden zwischen ihren eigenen Ansichten und ihrer politischen Orientierung sowie der ihres privaten Umfeldes.
"Nadja ist bei uns nie durch rechtsradikales Gedankengut aufgefallen", sagte der Vorsitzende von Drygallas Heimatklubs ORC Rostock, Walter Arnold: "Ich finde es erbärmlich, dass ein junges Mädchen in Sippenhaft genommen wird." Dies dürfe nicht der Fall sein, erklärte auch Freitag. Sie sagte aber auch: "Man ist nicht als Privatperson bei Olympischen Spielen, sondern als Teil einer Nationalmannschaft. Das hat besonderes Gewicht."
. (dapd)