Legionowa. . Auf einmal interessieren sich alle für die griechische Mannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft. Das liegt daran, dass es am Freitag im Viertelfinale gegen Deutschland geht. Ein Spiel, das die Griechen ganz besonders motiviert. Die Fans in der Heimat sollen glücklich gemacht werden.
Jemand was vom Griechen? Bisher waren die Griechen bei dieser EM kaum gefragt. Sie trainierten 30 Kilometer vor den Toren Warschaus still und leise im Mini-Stadion des Drittligisten Legionowa, dessen Tribüne gerade 1700 Zuschauer fasst und die nicht einmal ein Dach hat. Das war am Anfang auch gar nicht schlimm, denn die griechische Nationalmannschaft zählte in Polen bisher nicht zu den Dingen, für die Männer sich umdrehten.
Doch plötzlich, nach dem Einzug ins Viertelfinale am Freitag gegen Deutschland, ist beim Außenseiter alles anders. Sogar eine Dame aus Indonesien, die für das dortige Magazin „Football total“ arbeitet, ist nach Legionowa gereist und will nun etwas vom Griechen. Sie fragt: „Wie kommen die Griechen mit den eisigen Temperaturen zurecht?“ Es ist allerdings der bisher heißeste Tag des Turniers, das Thermometer in der Altstadt von Warschau zeigt am frühen Mittag 32 Grad. Der Rummel um unerwartete Popularität treibt manchmal kuriose Blüten.
Griechische Nationalmannschaft verfolgte parallel Deutschlandspiel und Wahlen im TV
In solchen Augenblicken sind Gesichter wie Schaufenster. Grigoris Makos schaut die Indonesierin ungläubig an und fährt sich mit der rechten Hand durch den dichten, schwarzen Bart. Er lässt sich die Frage wiederholen. Am Mikrofon ist der 25-Jährige, der im defensiven Mittelfeld rustikal abräumen kann, ein freundlicher Mann. „Das Wetter spielt im Fußball immer eine Rolle“, sagt er. Was man eben so sagt. Bart, aber herzlich.
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Die griechischen Spieler wirken beim Training am Montag entspannt. Ursprünglich sollten sie um 10.30 Uhr auf dem Platz stehen, aber außer dem Gärtner ist niemand da. Sie haben alles um eine Stunde verschoben. Als der Bus endlich vorfährt, dröhnt eine Minute später griechische Rockmusik aus der Kabine.
„Wir haben am Sonntagabend noch lange Fernsehen geguckt“, sagt Ioannis Maniatis, der auf der rechten Abwehrseite Ball und Gegner Richtung Werbebande schaufelt. Zum einen sahen die griechischen Spieler im Aufenthaltsraum ihres Hotels die Entscheidung über ihren Viertelfinal-Gegner, auf einem zweiten Fernseher verfolgten sie die Wahlen in ihrer Heimat.
Griechen müssen gegen Deutschland auf Kapitän Karagounis verzichten
Torhüter Michalis Sifakis hat sich in dem Gemisch aus Sport, Emotion und Politik zu einem Interview hinreißen lassen, mit dem er die Atmosphäre rund um das Viertelfinale von Danzig anheizt. „Ich wünsche mir, dass es das erste und letzte Spiel für Angela Merkel bei der EM wird“, hat der Torwart gesagt. Wegen der Finanzkrise rund um den Euro und wegen der deutschen Haltung dazu steht die Bundeskanzlerin in Griechenland zur Zeit auf der Liste der beliebtesten Frauen ziemlich weit hinten.
Doch erstens will Merkel gar nicht zum Spiel nach Danzig fliegen, und zweitens halten alle anderen griechischen Spieler den Ball flach. „Wir sprechen bei der EM doch über Fußball“, findet Verteidiger Maniatis. „Wir sollten Sport und Politik nicht vermengen.“
Sportlich haben die Griechen gegen Deutschland ein Problem: Ihnen fehlt Kapitän Georgios Karagounis wegen einer Gelbsperre. Der 35-Jährige mit den 120 Länderspielen ist zwar nicht mehr der schnellste, aber er ist der, der im Mittelfeld die Übersicht behält und der das Spiel ordnet. Makos, der Abräumer, hofft auf den freien Platz von Karagounis: Technik raus, noch mehr Kampfgeist rein.
Griechische Nationalelf will die Fans in der Heimat mit Sieg gegen Deutschland wieder glücklich machen
Es gibt aber neben dem Fußball Marke Knüppel-aus-dem-Sack noch ein weiteres Element, auf das die Deutschen achten müssen: die Emotionalität. „Unser Volk erlebt nicht die glücklichsten Tage seiner Geschichte“, sagt Ioannis Maniatis. „Wir wollen die Menschen mit unserem Fußball glücklich machen. Sie sollen lachen und endlich wieder auf der Straße tanzen.“
Man darf also gespannt sein, ob nach dem Viertelfinale noch einer etwas vom Griechen möchte.