Hannover. Nach seiner Entlassung aus der Kölner Klinik hat sich Babak Rafati in seiner Heimat Hannover erneut in stationäre Behandlung gegeben. Zum Motiv des Suizidversuch gibt es derzeit keine weiteren Erkenntnisse. Unterdessen ist in der Bundesliga eine Debatte über mehr Respekt gegenüber den Schiedsrichtern entbrannt.

Babak Rafati ist zwei Tage nach seinem Suizidversuch aus dem Krankenhaus entlassen worden, die Kölner Polizei wird den Fall schnell zu den Akten legen, doch die Nachwirkungen werden den deutschen Fußball noch lange beschäftigen. Die Frage nach den Hintergründen für Rafatis Verzweiflungsakt war am Montag weiter ungeklärt, aber die Debatte über mehr Anstand und Respekt im Umgang mit den Schiedsrichtern hatte begonnen.

Rafati kehrte in seine Heimatstadt Hannover zurück und begab sich in stationäre Behandlung, wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mitteilte. Dies habe ein bei ihm diagnostiziertes Krankheitsbild erforderlich gemacht. Wie lange diese Behandlung andauern wird, sei derzeit noch nicht absehbar. Rafati ließ über seinen Anwalt den ausdrücklichen Wunsch übermitteln, die Vorgänge ganz in Ruhe aufarbeiten zu wollen. Dafür benötige er jetzt vor allem Zeit und Geduld.

DFB will sich Zeit lassen

Am Montag war der Schiedsrichter, der zwei Tage zuvor mit aufgeschnittenen Pulsadern im Hyatt-Hotel in der Badewanne seines Zimmer aufgefunden worden war, aus der Klinik in Köln-Holweide entlassen worden. Die Partie zwischen Köln und Mainz, die er leiten sollte, war daraufhin abgesagt worden. Für die Kölner Polizei ist die Arbeit praktisch erledigt. "Unsere Aufgabe ist es, festzustellen, ob ein Fremdverschulden vorliegt. Im Fall Rafati gehen wir aber von einem versuchten Selbstmord aus", sagte der Kölner Polizeisprecher Andre Faßbender am Montag auf dapd-Anfrage.

Einiges aufzuarbeiten hat indes der DFB. "Wir haben uns vorgenommen, die Angelegenheit erst einmal sacken zu lassen", sagte Lutz Wagner aus der Schiedsrichterkommission und will sich wie der Vorsitzende Herbert Fandel und DFB-Präsident Theo Zwanziger erst einmal zurückhalten. Zwanziger hatte am Samstag die Debatte über einen gepflegteren Umgang mit den Referees angestoßen.

Becherwürfe, tobende Trainer an der Seitenlinie und Spieler, die - wie zuletzt in Freiburg geschehen - den Schiedsrichter auf das Heftigste attackieren - alles Missstände, die Zwanziger in seinen Ausführungen angesprochen hatte. Vorfälle, die auch Ligapräsident Reinhard Rauball nachdenklich stimmen. "Becher auf Schiedsrichter werfen, kann und darf man nicht dulden. Ich werbe sehr dafür, dass jeder seine eigene Einstellung überprüft. Ich tue das für mich, auch wenn ich es öffentlich nie artikuliert habe. Manchmal ist man in seinem Inneren auch ungerecht gegenüber Schiedsrichtern", sagte der Präsident von Meister Borussia Dortmund.

Schiedsrichter immer häufiger Sündenböcke

Rauball ist es nicht entgangen, dass die Schiedsrichter immer häufiger als Sündenbock abgestempelt werden. Erst in der vergangenen Saison war das Spiel zwischen St. Pauli und Schalke abgebrochen worden, nachdem ein gefüllter Bierbecher den Linienrichter getroffen hatte. Und vor wenigen Wochen war dem früheren Schiedsrichter Markus Merk bei seinem Experten-Einsatz auf Schalke blanker Hass entgegen geschlagen. Merk gilt in Gelsenkirchen als Hauptverantwortlicher für die verpasste Meisterschaft vor zehn Jahren, als er beim Spiel zwischen dem Hamburger SV und Bayern München Sekunden vor Schluss den Bayern einen Freistoß zusprach, den Patrik Andersson zum 1:1 verwandelte. Schon zu seinen aktiven Zeiten hatte es der Kaiserslauterer Merk nicht selten erlebt, dass zehntausende Zuschauer im Stadion nach umstrittenen Entscheidungen "Schieber" oder andere Verunglimpfungen rufen. Bei der Schulung der Schiedsrichter durch den DFB gehört es zu den Hauptthemen, dass sie die Stress-Situationen verarbeiten, die durch aggressive Publikumsreaktionen entstehen können.

Hertha-Verteidiger Christian Lell plädiert für einen freundlicheren Umgang mit den Unparteiischen durch die Fußball-Profis. Dass ein Schiedsrichter Fehler mache, sei legitim. Genauso wie es legitim sei, sich darüber aufzuregen. "Wir müssen diese Schärfe, diese Aggressivität rausnehmen", forderte Lell im Interview mit der Berliner Zeitung "Tagesspiegel" (Montagausgabe) und führte die Szenen beim Spiel zwischen dem SC Freiburg und Hertha BSC Berlin (2:2) an: "Ich habe ja gesehen, wie verunsichert Wingenbach nach seiner Entscheidung war. Das konnte man in seinen Augen lesen. Er hat mir fast ein Stück weit leidgetan." Nach der Situation, in der Wingenbach ein zunächst gegebenes Tor für Freiburg zurücknahm, kam es zu Tumulten auf dem Spielfeld. Diese "Rudelbildung" hat der DFB eigentlich untersagt, weil durch dadurch die Schiedsrichter oft stark unter Druck geraten.

Forderung nach Videobeweis, um die Arbeit der Schiedsrichter zu erleichtern


Um die Schiedsrichter mehr aus der Schusslinie zu nehmen, fordert Lell den Videobeweis. Ähnlich sieht es auch Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge. "Die FIFA lässt die Schiedsrichter im Regen stehen. Zum Beispiel beim passiven Abseits oder bei der Torkamera - sie tut nichts, um die Schiedsrichter zu unterstützen", sagte Rummenigge der Tageszeitung "Die Welt".

Dass der Umgang mit den Schiedsrichtern verbesserungswürdig ist, findet auch Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. Gleichwohl nimmt er den DFB mehr in die Pflicht, schickt aber auch eine Mahnung in Richtung der Medien. "Muss es denn sein, dass es den 'Pfiff den Woche' gibt oder dass eine halbe Stunde darüber diskutiert wird, ob der Ball eine Fußspitze über der Linie war? Da muss auch der DFB seine Schiedsrichter besser schützen. Da darf er seine Schiedsrichter nicht alleine lassen", sagte Eberl der Nachrichtenagentur dapd. (dapd)