Köln. . Der Suizidversuch von Schiedsrichter Babak Rafati entfacht Debatte über den Leistungsdruck in Fußballgeschäft. Der Referee musste viel Kritik einstecken.

Was geht eigentlich in Fußball-Schiedsrichtern vor? Muss man nicht fast schon masochistisch veranlagt sein, um sich Woche für Woche dem Unwillen der Fans, der Spieler, der Öffentlichkeit auszusetzen? Wie muss man charakterlich gestrickt sein, um auf der großen Populär-Bühne des Fußballs zwar mitzulaufen, aber eigentlich den Rang des Nebendarstellers nur im Falle auffälliger Fehlentscheidungen verlassen zu können? Welche Rolle spielen Eitelkeit und Geltungssucht?

„Ein Schiedsrichter muss souverän und selbstkritisch sein und darf sich von Kritik nicht beeindrucken lassen“, sagte ein Unparteiischer, kurz nachdem er vom Deutschen Fußball-Bund DFB auf die Liste der international eingesetzten Referees gesetzt wurde. Es war eine Bestätigung für den jungen Referee. Am Ende, sagte er, setzten sich stets diejenigen durch, „die die besten Nerven haben“. Die Zitate stammen von Babak Rafati.

Sein Suizidversuch hat nun flugs eine Debatte entflammen lassen über den ungeheuren Leistungsdruck innerhalb des Leistungssports Profi-Fußball. „Die Drucksituationen, die erzeugt werden, werden auf Dauer kein guter Weg sein“, sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger am Samstag in Köln. „Wir müssen da Schritt für Schritt, langsam aber sicher, wieder zurückkommen. Wir haben da die richtige Balance noch nicht gefunden.“ Gegen die allzu schnelle Verallgemeinerung verwahrte sich BVB-Präsident und Liga-Chef Reinhard Rauball: Man könne nicht grundsätzlich sagen, „dass der Fußball in eine falsche Richtung läuft. Dagegen wehre ich mich. Wir haben viele andere, die in der Bundesliga mit dem Druck klarkommen.“

Die Diskussion hat damit längst die verifizierten Fakten überholt. Schließlich ist Rafatis Motivlage noch weitgehend unklar. Zwar hatte der Schiedsrichter in seinem Hotelzimmer offenbar eine Art Abschiedsbrief hinterlassen (Zwanziger: „Es wurden Notizen gefunden“), über den genauen Inhalt ist öffentlich aber noch nichts bekannt. DFB-Präsident Zwanziger selbst war es, der mahnte, es sei „nicht angebracht, nicht angemessen, jetzt zu spekulieren“.

Sein Verweis auf die Drucksituation aber legt die Vermutung nahe, Zwanziger habe eine ungefähre Kenntnis vom Inhalt der Notizen Rafatis.

Die extreme Belastungssituation des Schiedsrichters 

Unabhängig davon aber lässt die Karriere des Deutsch-Iraners Rafati durchaus einen Einblick in die extreme Belastungssituation eines Schiedsrichters zu. Denn Rafati gehört seit Beginn seiner Karriere zu den umstrittensten seiner Zunft. Seit 2005 pfeift der Bankkaufmann, der in Hannover eine Sparkassen-Filiale leitet, in der Eliteklasse. Es ist eine Passion; und ein Nebenjob, für den der DFB eine Aufwandsentschädigung von 3800 Euro pro Partie zahlt.

Insgesamt 84 Erstliga-Spiele stehen bis dato auf seinem Konto. Sein Debüt gab er am 6. August 2005 – beim Duell Köln gegen Mainz; eben jener Paarung, die er auch am Samstag ursprünglich leiten sollte. Schon bei seiner Premiere hatte Rafati einen umstrittenen Elfmeter für die Kölner gepfiffen – und sich damit den Unmut des damaligen Mainzer Trainers Jürgen Klopp zugezogen. Große Akzeptanz oder gar Beliebtheit genoss Rafati auch später nie. Im Gegenteil. In der anonymen Umfrage des Fachmagazins „kicker“ war Rafati von den Bundesliga-Profis in den vergangenen vier Jahren gleich drei Mal zum schlechtesten Referee gekürt worden.

Die Kritik an Rafati nahm dabei immer wieder derbe Züge an: Im Januar 2011 etwa wurde Rafati nach der Partie zwischen Nürnberg und Mönchengladbach (0:1) von den Franken wegen zweier nicht gepfiffener Elfmeter und eines nicht gegebenen Tores heftig attackiert. „Die Umfrage des kicker sagt alles über seine Leistung“, ätzte Kapitän Raphael Schäfer. Und Sportdirektor Martin Bader forderte auf einer Fan-Versammlung gar, dass Rafati nie wieder ein Spiel des Clubs pfeifen solle. Dabei soll Bader gesagt haben: „Dass Babak Rafati ein schlechter Schiedsrichter ist, das weiß eh schon jeder.“ Die Reaktion: tosender Applaus.

Vor neun Wochen reagierte plötzlich auch der DFB – und strich den 41-jährigen Rafati von der Liste der Fifa-Referees. Es handle sich „um eine altersbedingte Umstrukturierung“, teilte der DFB mit. Dabei liegt die Altersgrenze bei 45 Jahren. „Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit wir weiterhin mit unseren Schiedsrichtern auf internationalem Top-Niveau stark vertreten bleiben“, hatte der Schiedsrichterkommissions-Chef Herbert Fandel gesagt.

Von zu großem Druck war da noch nicht die Rede.