Hannover. Nach dem Selbstmordversuch des Schiedsrichter Babak Rafati beginnt in der Bundesliga eine Debatte über einen besseren Umgang mit den Unparteiischen. Gladbachs Sportdirektor Max Eberl nimmt den DFB und die Medien in die Pflicht. Das Problem dürfe nicht an Fans und Vereine abgeschoben werden.

Die polizeilichen Ermittlungen im Fall des Suizidversuchs des Bundesliga-Schiedsrichters Babak Rafati stehen kurz vor der Einstellung: "Unsere Aufgabe ist es, festzustellen, ob ein Fremdverschulden vorliegt. Im Fall Rafati gehen wir aber von einem versuchten Selbstmord aus", sagte der Kölner Polizeisprecher Andre Faßbender.

Zwei Tage nach seinem Suizidversuch wurde Rafati außerdem wieder aus dem Kölner Krankenhaus in Holweide entlassen. Das bestätigte Monika Funken von der Pressestelle der Kölner Kliniken auf dapd-Anfrage. Über den genauen Gesundheitszustand durfte sie keine Angaben machen.

"Ein Suizid kann verschiedene Gründe haben"

"Schon wieder Hannover" schoss es Marion Sulprizio durch den Kopf, als sie am Samstag vom Suizidversuch des Bundesliga-Schiedsrichters Babak Rafati hörte. "Es ist eine interessante Konstellation. Aber erst einmal sollte man nicht mehr darin sehen", sagt die Psychologin der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS). Dort leitet sie als Geschäftsführerin die Initiative "MentalGestärkt", die nach dem Selbstmord von Robert Enke im Zusammenhang mit der nach dem Fußball-Nationaltorwart benannten Stiftung ins Leben gerufen wurde, um Präventionsarbeit zu leisten. Zum Betroffenen wurde in den letzten Monaten auch Markus Miller, Enkes Nachfolger im Tor von Hannover 96.

Marion Sulprizio hält sich hinsichtlich möglicher Beweggründe für den Selbstmordversuch des aus Hannover stammenden Bundesliga-Schiedsrichters bedeckt. "Ein Suizid kann verschiedene Gründe haben, diese können auch innerfamiliär sein, müssen nichts zu tun haben mit Problemen im beruflichen oder sportlichen Umfeld", sagt die Kölner Psychologin.

Sportler müssen offener mit Problemen umgehen

Für sie ist wichtig, dass Sportler - anders als Enke und Rafati - heute offener mit ihren Problemem umgehen. "Der Tod von Robert Enke hat einen Stein ins Rollen gebracht", sagt Marion Sulprizio, "Betroffene trauen sich nun schon eher, mit psychischen Erkrankungen offen umzugehen", stellt die Psychologin fest, nachdem in den letzten Monaten neben Markus Miller, Trainer Ralf Rangnick (Schalke 04), auch Manager Michael Sternkopf (Kickers Offenbach) und Stürmer Martin Fenin (Energie Cottbus) den Schritt an die Öffentlichkeit wagten.

Für Jens Kleinert, Professor für Sportpsychologie an der DSHS, ist dies nur die "Spitze eines Eisbergs." In einem ZDF-Interview sagte er zwei Jahre nach dem Tod von Robert Enke: "In der Normalbevölkerung treten bei fünf, sechs, vielleicht sogar zehn Prozent der Menschen Burnout und Depressionen auf. Im Leistungssport ist eine ähnliche Rate zu erwarten, weil der Druck dort immens ist. Bei vielen Vereinen wird das totgeschwiegen."

Das Netzwerk "MentalGestärkt" bietet Schulungen an, vermittelt Sportlern und Trainern Techniken, wie sie mit Stress, Leistungsdruck und Versagensängsten umgehen können. "Im Fußball haben meiner Einschätzung nach durchaus alle begriffen, dass sie sich um diese Themen kümmern müssen", sagt Sulprizio, "aber bei der Frage, wie viel die Vereine wirklich investieren, da sieht es schlechter aus." Auch die Verbände seien gefordert, zum Beispiel durch eine bessere sportpsychologische Schulung in der Trainerausbildung.

Gladbachs Sportdirektor Eberl findet Umgang mit Schiedsrichtern "verbesserungswürdig"

Dass der Umgang mit den Schiedsrichtern verbesserungswürdig ist, findet auch Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. Gleichwohl nimmt er den DFB mehr in die Pflicht, schickt aber auch eine Mahnung in Richtung der Medien. "Muss es denn sein, dass es den 'Pfiff den Woche' gibt oder dass eine halbe Stunde darüber diskutiert wird, ob der Ball eine Fußspitze über der Linie war? Da muss auch der DFB seine Schiedsrichter besser schützen. Da darf er seine Schiedsrichter nicht alleine lassen", sagte Eberl der Nachrichtenagentur dapd. Man dürfe aber nicht allein die Verantwortung auf die Fans und die Verantwortlichen in den Vereinen abschieben. Dieses Problem müsse gemeinschaftlich gelöst werden, forderte Eberl.

Dass aber Schiedsrichter in Internetforen derart an den Pranger gestellt werden, wird aber wohl kaum zu lösen sein. So gibt es bei Facebook etwa eine Anti-Babak-Rafati-Seite. "Man möge ihnen empfehlen, das nicht zu lesen. Zumindest nicht das, was im Netz steht. Das, was im Netz teilweise passiert, gilt für alle Gesellschaftsschichten in Deutschland. Das ist schon etwas, wo man sagen muss: Da müssen wir aufpassen, da muss auch irgendwie eine Lösung gefunden werden", sagte Rauball.

Referees via Internet an den Pranger gestellt

Es sei heutzutage sehr einfach, Referees via Internet an den Pranger zu stellen, ergänzte der schwedische Schiedsrichter Jonas Eriksson der Zeitung "Aftonbladet". Es sei auch "unnötig", den schlechtesten Schiedsrichter einer Liga zu wählen. Rafati hatte im Fachmagazin "Kicker" dreimal von den Bundesligaprofis den unrühmlichen Titel des schlechtesten Schiedsrichters erhalten.

Rafati war am Samstag im Kölner Hyatt-Hotel mit aufgeschnittenen Pulsadern aufgefunden worden. Über die genauen Hintergründe ist noch nichts bekannt. Ursprünglich sollte der 41-Jährige das Bundesliga-Spiel zwischen dem 1. FC Köln und Mainz 05 leiten. Die Begegnung ist abgesagt worden. (dapd, rtr, sid)