Göteborg. Neun Spieler aus der EM-Startelf der deutschen U-21-Nationalmannschaft haben ausländische Wurzeln. Das Talentreservoir ist groß. Eine neue Fifa-Regel könnte aber zum Problem werden.

Die richtige Antwort auf die folgende Frage dürfte bei Günther Jauchs „Wer wird Millionär“-Sendung mindestens 32 000 Euro einbringen: In welcher Stadt wurde der deutsche Fußball-Nationalspieler Andreas Beck geboren, der gerade mit der U 21 beim EM-Turnier in Schweden spielt? A) Teheran (Iran), B) Gleiwitz (Polen), C) Gradiska (Bosnien-Herzegowina) oder D) Kemerowo, (Russland)? Na? Die richtige Antwort lautet D. Beck stammt aus Kemorowo in Sibirien.

Aber keine Angst. Die Antworten A bis C sind mit Blick auf Becks Mit-Nationalspieler keineswegs abwegig. Denn in Teheran (A) wurde Ashkan Dejagah (VfL Wolfsburg) geboren. Aus Gleiwitz (B) stammt Sebastian Boenisch (Werder Bremen). Und der Geburtsort von Marko Marin (Borussia Mönchengladbach) ist Gradiska (C).

Diese vier gehören zu den neun U-21-Nationalspielern mit ausländischen Wurzeln und Migrationshintergrund, die in der deutschen Startelf des EM-Spiels gegen Spanien (0:0) standen. Nur die Schalker Benedikt Höwedes und Manuel Neuer haben ein deutsches Elternpaar und wurden in Deutschland geboren.

Hrubesch: Die Franzosen sind Vorbild

Die DFB-Nationalspieler heißen längst nicht mehr Müller, Maier und Lehmann, sondern im kickenden Schmelztiegel der Nationen Podolski, Gomez, Özil oder Castro. „Wir heißen alle Spieler mit Migrationshintergrund willkommen. Wichtig ist, dass sie Tradition und Werte des DFB kennen und sich damit identifizieren“, erklärt DFB-Sportdirektor Matthias Sammer. Sein U-21-Trainer Horst Hrubesch bringt es auf den Punkt: „Wir haben eine Multi-Kulti-Gesellschaft. Wie da jemand heißt, ist doch egal. Die Franzosen sind da ein Vorbild.“ In Frankreich ist jeder vierte Nationalspieler ein Migranten-Fußballer. Ein Wert, dem sich die deutsche A-Nationalmannschaft, für die bisher knapp 30 Spieler mit ausländischen Wurzeln aufliefen, annähern dürfte, sofern die Nachwuchsprofis die U 21 weiter als Sprungbrett nutzen.

Der DFB, der seit 2007 einen Integrationsbeauftragten beschäftigt und das Thema in die Trainer-Ausbildung aufgenommen hat, würde davon profitieren. Das Reservoir an Talenten, die der Verband rekrutierten kann, erweitert sich stetig. „Sie bereichern uns mit Spielwitz und neuen Philosophien“, sagt Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff. Und die erfolgreiche Fußballnation Deutschland ist bei Nachwuchskickern „in“. Zuletzt entschied sich Serdar Tasci (Stuttgart) gegen die Türkei und für Deutschland.

Allerdings muss der deutsche Verband wegen einer neuen Fifa-Regel aufpassen. Denn inzwischen können alle Spieler, sofern sie noch kein A-Pflichtländerspiel gemacht haben, noch den Verband wechseln. Schalkes Jermaine Jones flüchtete gerade erst, begleitet von peinlichen verbalen Nachtretereien, ins US-Team.

Positiver Einfluss auf die Gesellschaft

Nationalspieler mit Migrationshintergund üben aber auch integrationsfördernden Einfluss auf die Gesellschaft aus, wie das Beispiel des in Gelsenkirchen geborenen Mesut Özil (Bremen) zeigt. Seit der im Trikot mit dem Bundesadler aufläuft, fiebern auch Deutschen-Türken bei Länderspielen ihrer zweiten Heimat mit. „Özil setzt ein Zeichen für Migranten, sich einzubringen. Sein Erfolg zeigt Menschen aus Zuwandererfamilien: Der soziale Aufstieg ist möglich“, sagt Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. „Da beweist der Fußball seinen integrativen Charakter“, sagt auch Oliver Bierhoff.

Der Prototyp des neuen Deutschländers ist U-21-Kapitän Sami Khedira. Er ist der Sohn einer deutschen Mutter und eines tunesischen Vaters und wurde in Stuttgart geboren. Das hört man: In Schweden kommandiert er seine Mitspieler auf dem Platz mit herrlich schwäbischem Einschlag herum.