Lausanne. Claudia Pechstein hat bei der Verhandlung gegen ihre Sperre einen ersten kleinen Rückschlag hinnehmen müssen. Der Prozess droht laut DESG-Präsident Heinze zur Hängepartie zu werden

Als Claudia Pechstein am Donnerstagnachmittag das noble Chateau de Bethusy betrat, stand ihr die Anspannung ins Gesicht geschrieben. "Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt nichts mehr sage", meinte die fünfmalige Olympiasiegerin kurz vor Beginn ihrer Berufungsverhandlung vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne.

Ihr Anwalt Simon Bergmann versprühte dagegen Optimismus. "Wir sind zuversichtlich. Dass wir starke Hinweise auf eine natürliche Ursache für Claudias schwankende Blutwerte gefunden haben, hat uns zusätzlichen Rückenwind gegeben", sagte Bergmann in Richtung der drei Kamerateams.

ISU ist laut DESG-Präsident Heinze "gut vorbereitet"

Doch die Zuversicht bekam nur wenig später einen ersten kleinen Dämpfer. In einer Prozesspause am Abend bezeichnete Gerd Heinze, Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), die Prozessgegner vom Eislauf-Weltverband ISU als "gut vorbereitet". Zudem droht Pechstein in Lausanne eine Hängepartie. "Bis zu einem Urteil könnte es Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern. Auf so einer Basis wie in diesem Fall hat der CAS bislang noch nicht verhandelt", sagte CAS-Generalsekretär Matthieu Reeb nach Beginn der Verhandlung.

"Meinungsaustausch der Wissenschaftler"

Pechstein hofft nicht nur auf ein für sie positives, sondern auch auf ein schnelles Urteil, da die Saison bereits am 30. Oktober mit den deutschen Meisterschaften in Berlin beginnt. Nur eine Woche später findet in der Hauptstadt auch der erste Weltcup statt.

Laut Heinze habe am Donnerstag ein "Meinungsaustausch der Wissenschaftler" über eine "sehr schwierige, hoch wissenschaftliche Materie" stattgefunden. Jede Seite habe ausreichend Gelegenheit, sich zu äußern. "Der fachliche Austausch ist kompliziert und wird auch am Freitag fortgesetzt werden", sagte Heinze.

Bergmann veröffentlichte Last-Minute-Diagnose

Bevor die bislang wichtigste Verhandlung in Pechsteins Leben begann, hatte von Ruhe vor dem Sturm in ihrem Lager keine Rede sein können. Nachdem Bergmann am Mittwoch die für den Fall möglicherweise entscheidende Last-Minute-Diagnose ("angeborene leicht kompensierte Hämolyse") öffentlich gemacht hatte, flammte der Streit mit Kritikern und Experten neu auf. Möglicherweise sieht man sich sogar vor Gericht wieder.

"Natürlich gibt es Hämolysen, aber keine mit einer Periodik, die immer mal wieder gerne mit Claudia Pechsteins Auftritten bei Wettkämpfen korreliert", sagte der Heidelberger Molekularbiologe und Dopingexperte Werner Franke dem SID nicht ohne sarkastischen Unterton.

Sörgel-Aussagen haben Pechstein "sehr geschadet"

Doch nicht Franke, sondern in erster Linie Professor Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Heroldsberg, sieht sich derzeit dem geballten Zorn des Pechstein-Lagers ausgesetzt. "Die Vielzahl der Meinungen von Sörgel zu Claudias Blutwerten sind mittlerweile schwankender als ihre Retikulozytenwerte. Mit seinen unqualifizierten Äußerungen hat er dem Ansehen Claudias in der Öffentlichkeit sehr geschadet. Von daher werden wir nach dem CAS-Verfahren rechtliche Schritte gegen ihn prüfen", sagte Pechsteins Manager Ralf Grengel dem SID.

Sörgel, einer ihrer schärfsten Kritiker, hatte offenbar schon vor der Bekanntgabe der möglichen Ursache für Pechsteins schwankende Blutwerte geahnt, dass es eine solche geben könnte und als abwegig bezeichnet. "Ich denke, das ist absurd. Das Gesamtbild, das bei Frau Pechstein vorliegt, gibt das nicht wieder. Man muss immer wieder betonen, wenn irgendwelche Hämolyseerkrankungen oder Ähnliches im Spiel sein sollen, dann wäre das mit Sicherheit bei früheren sportmedizinischen Untersuchungen aufgetaucht. Das ist es aber nicht", hatte Sörgel der ARD gesagt.

Grengel kritisiert "sogenannte Experten"

Grengel dagegen verwies darauf, dass zu dem jüngsten Befund "ein Gutachten eines seit Jahrzehnten anerkannten Spezialisten auf dem Gebiet der Hämatologie" vorliege. Grundlage dafür seien monatelange Untersuchungen. "Es ist einmal mehr typisch, dass es sogenannte Experten gibt, die in einer Ferndiagnose an diesem Befund zweifeln, ohne auch nur ein einziges Detail zu kennen. Ich empfinde ein solches Verhalten als unseriös und beschämend", sagte Grengel. Ihm sei nicht bekannt, "dass einer der Herren Hämatologe ist". (sid)