Bremen. Werder-Geschäftsführer Frank Baumann spricht vor dem Zweitliga-Spitzenspiel zwischen Schalke und Bremen über den Aufstiegskampf.
Beide Klubs sind abgestiegen, beide hatten den Kader umzukrempeln, beide mussten erst wieder in die Spur finden – es gibt viele Parallelen in der jüngeren Vergangenheit von Schalke 04 und Werder Bremen. Die größte und angenehmste ist: Beide Traditionsklubs sind aussichtsreich im Kampf um die Bundesliga-Rückkehr. So stehen sich an diesem Samstag (13.30 Uhr/Sky) Tabellenführer Schalker und Verfolger Bremen zum Zweitliga-Topspiel in der ausverkauften Arena gegenüber. Ein Gespräch mit Werders Geschäftsführer Frank Baumann (46) darüber, was beide Klubs richtig gemacht haben – bisher und womöglich auch bis zum Saisonende.
Im Sprachgebrauch der Politik ist oft vom Genossen Trend die Rede. Spricht der Genosse Trend in der Endphase des Kampfs um den Aufstieg gegen Werder Bremen?
Frank Baumann: Es kommt darauf an, zu wem Werder in Relation gesetzt wird. Schalke hat momentan sicherlich einen besseren Lauf. Wir haben dreimal nicht gewonnen, auf der anderen Seite auch dreimal nicht verloren. Einige Klubs, die in Konkurrenz zu uns stehen, wären glücklich, hätten sie so gepunktet.
Frühjahrsmüdigkeit in Bremen und eine dramatische Lage?
Baumann: Unsere Ausgangsposition ist nach wie vor komfortabel, weil wir es in der eigenen Hand haben. Wir wissen um die Bedeutung des nächsten Spiels. Mit Schalke 04 haben wir einen schweren Gegner vor der Brust. Doch wir gehen diese Aufgabe zuversichtlich an.
Ist Schalke Favorit in diesem Spitzenspiel? Kommt die Rolle des Außenseiters möglicherweise Ihrer Mannschaft entgegen?
Baumann: Schalke ist Spitzenreiter, Schalke spielt zu Hause, Schalke ist somit der Favorit. Die Mannschaft spielt nun die Rolle, die ihr viele zugetraut haben, doch wir wollen dagegenhalten. Es kann uns nur gelingen, wenn wir eine stabile Defensive auf den Platz bringen, dazu die nötige Körperlichkeit und unsere spielerischen Mittel einsetzen.
Baumann: Trainerwechsel hat Schalke den entscheidenden Impuls gegeben
Haben Sie keine Angst, dass Werder das HSV-Syndrom erleidet, regelmäßig in Sichtweite des Aufstiegs zu stolpern?
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Baumann: Da lasse ich mir nichts einreden. Wir sehen die Gefahren, sind indes überzeugt, dass wir daran nicht scheitern werden. Wir vertrauen unserer gut eingespielten Einheit.
Anfangs haben die Schalker nicht so in die Erfolgsspur gefunden. Nun verkörpern sie das Nonplusultra der Spielklasse. Hatten Sie diese Entwicklung erwartet?
Baumann: Natürlich, es brauchte halt eine Zeit, bis sich die Mannschaft gefunden hat – wie bei uns auch. Ich muss meine Kollegen loben: Peter Knäbel und Rouven Schröder haben einen guten Job gemacht, einen radikalen Austausch des Personals eingeleitet und einen Topkader mit hoher Qualität zusammengestellt. Der Trainerwechsel von Dimitrios Grammozis zu Mike Büskens hat dann den entscheidenden Impuls gegeben.
Schalkes Terodde und Bülter gegen Ducksch und Füllkrug
Ein Glücksfall wie an der Weser, wo die leidliche Impfaffäre den Tausch von Markus Anfang zu Ole Werner ausgelöst hat?
Baumann: In Schalke sieht es so aus. Mit Büskens siegt die Truppe am laufenden Band, sie kämpft nicht nur, sondern überzeugt auch spielerisch. Zu Markus Anfang: Ich bin überzeugt, dass er ein guter Trainer ist. Vor allem war er nach dem Abstieg ein passender Trainer. Er hatte eine klare Spielidee, zudem war er bemüht, die durch die vielen Transfers zu Saisonbeginn entstandene Unruhe zu bewältigen. Er hat in dieser Phase kühlen Kopf bewahrt, dann kam die Impfpassgeschichte und da war es richtig zu handeln. Wir konnten mit Ole Werner einen geeigneten Nachfolger präsentieren. Als Coach, der eine auf Offensive ausgerichtete Spielidee bevorzugt, sowie als Mensch und Typ, der viele Werte verkörpert, die Werder eigen sind, passt er sehr gut nach Bremen.
Schalke hat Simon Terodde geholt, Werder Marvin Ducksch. Benötigt eine Elf, die in der 2. Liga reüssieren will, einen Knipser?
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Baumann: Es ist ein relevanter Aspekt. Favoriten brauchen Torjäger mit diesen Fähigkeiten im Zentrum, sie brauchen diese Abschlussqualität, um ihre Dominanz auch effizient auf den Platz zu bringen. Schalke hat zudem noch den treffsicheren Marius Bülter – und wir sind erfreut, dass wir an der Seite von Ducksch einen Mann wie Niclas Füllkrug aufstellen können. Ich glaube auch, dass alle eine Klasse höher eine ähnliche Rolle spielen können.
Bei beiden Spitzenmannschaften gab es einen radikalen Umbruch. Wie bewerten Sie die Neuaufstellung beim Konkurrenten?
Baumann: Der Schalker Abstieg war eher besiegelt, insofern entstand früher eine Planungssicherheit. Natürlich schockierte der Abstieg genauso, ergaben sich komplizierte Voraussetzungen. Doch meine Kollegen konnten ihre Pläne eher umsetzen, zeitiger Transfers tätigen und das neue Team zusammenstellen.
Werder-Chef Baumann sieht sich nicht als Sündenbock
Schalke hat gekauft, bevor einige der alten Stars verkauft waren. Sie sind anders vorgegangen. Haben Sie das Risiko gescheut?
Baumann: Es war der Auftrag, erst eine zweistellige Millionensumme zu erwirtschaften, bevor ich investieren konnte. So bin ich vorgegangen, es hat nun mal gedauert.
War es ein Vorteil, in den Verträgen Klauseln eingebaut zu haben, dass sich bei einem Abstieg die Honorare um rund 50 Prozent verringern? Bei Schalke soll es anders gewesen sein.
Baumann: Ich kann nur für mich und für Werder sprechen. Wir haben die Gehaltsstruktur deutlich herunter gefahren und viele richtige Entscheidungen auf Grundlage eines realistischen Szenarios wirtschaftlicher Notwendigkeit getroffen: einen Neuaufbau mit etwa 30 Transferbewegungen, das Holen eines neuen Trainers und geordnete Finanzen trotz der Pandemie.
Sie sind kritisiert und angefeindet worden nach dem Abstieg. Fühlen Sie sich als Sündenbock?
Baumann: Das ist abgehakt. Mein Fokus ist ein anderer, nach vorne gerichtet. Es war für alle nicht einfach nach dem Schock durch den Abstieg. Wir hatten nicht viel Zeit, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.
Baumann plant mit 50 einjährige Auszeit
Sie haben im Februar Ihren Vertrag bis 2024 verlängert. Haben Sie darüber nachgedacht, eine Auszeit zu nehmen, wie es schon zweimal vorgekommen ist?
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Baumann: Ich habe von den Pausen profitiert, doch diesmal darüber nicht konkret nachgedacht. Es war wichtig, die wichtigen Gespräche über die Ausrichtung intensiv zu führen. Es bleibt bei meiner Ankündigung, spätestens mit 50 Jahren eine erneute Auszeit zu nehmen. Nicht erst seit dem Fall Max Eberl ist bekannt, was dieser Job für Anstrengungen verlangt, wie sehr Familienleben und Gesundheit leiden können.
Könnte es sein, dass Sie ganz aus dem Fußballgeschäft aussteigen?
Baumann: Das lasse ich offen, möglich ist alles - Fußball oder eine andere Branche. Ich weiß nur, dass ich nicht sofort einen anderen Job übernehmen werde. Ich plane eine Auszeit von mindestens einem Jahr ein.