Düsseldorf. Generalprobe gelungen: Deutschlands Fußball-Nationalmannschaft deklassierte Lettland im letzten EM-Test mit 7:1. Zur Pause stand es schon 5:0.
Spannend war es durchaus gewesen, allerdings nur vor dem Anpfiff: Im Laufe des Tages nämlich war ein positiver Corona-Test eines Spielers der lettischen Nationalmannschaft bekannt geworden. Kurzzeitig stand auch eine Absage des letzten Testspiels der deutschen Nationalmannschaft vor der Europameisterschaft (11. Juni bis 11. Juli) im Raum. Doch die Behörden gaben Grünes Licht – und damit den Weg frei für einen deutlichen 7:1 (5:0)-Sieg der DFB-Auswahl vor 1000 Zuschauern in Düsseldorf.
1000 Zuschauer in Düsseldorf
Wegen der niedrigen Sieben-Tage-Inzidenz von rund 23 in Düsseldorf durften erstmals seit November 2019 Fans zu einem Heimspiel der deutschen Nationalmannschaft ins Stadion. Und sie sahen eine klare Ansage des DFB-Team – auf dem Rasen, aber auch auf den Rängen: „Titeljäger“ prangte in riesengroßen Lettern auf der Südtribüne der Düsseldorfer Arena, eingerahmt von den Farben der deutschen Flagge. Titeljäger – das wäre die deutsche Mannschaft gerne beim EM-Turnier, das für sie am 15. Juni mit dem Spiel gegen Frankreich beginnt.
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Lettland konnte bei der Vorbereitung auf dieses Spiel kein Maßstab sein, das wusste Bundestrainer Joachim Löw – dementsprechend hatte er seinen Spielern einige Aufgaben mitgegeben: Ein gelungenes Angriffspressing wollte er sehen, Balleroberungen weit in der gegnerischen Hälfte und dann zügige Spielzuge in Richtung des gegnerischen Tors. Und ein Kontrollverlust, wie er beim 1:1 gegen Dänemark in der zweiten Hälfte, sollte vermieden werden.
Und diese Wünsche bekam der Bundestrainer erfüllt, als dann doch abgepfiffen wurde. Zuvor hatte noch Manuel Neuer im Blickpunkt gestanden: Der deutsche Kapitän absolvierte sein 100. Länderspiel, als erster deutscher Torhüter. Die Kollegen standen Spalier, als er den Platz betrat, seine Torwarthandschuhe zierte die Nummer 100.
Bundestrainer Löw bevorzugt Dreierkette
Als das Spiel dann einmal angepfiffen war, waren diese Torwarthandschuhe aber erwartungsgemäß selten im Bild. Das lag einerseits an den weitgehend harmlosen Letten und andererseits daran, dass Joachim Löw wie im vorangegangenen Test gegen Dänemark (1:1) auf defensive Stabilität setzte: In der Abwehr formierte sich erneut eine Dreierkette, die sich damit endgültig als Löws bevorzugte Variante für den EM-Auftakt gegen Frankreich herauskristallisiert – ziemlich sicher auch in der Lettland-Besetzung, also mit Matthias Ginter, Mats Hummels und Antonio Rüdiger.
Rechts durfte sich etwas überraschend Joshua Kimmich versuchen, der in den vergangenen Jahren stets im Zentrum unterwegs war. Und man merkte dem Münchener an, dass er sich auf der inzwischen ungewohnten Position erst wieder einfinden muss.
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Keine Anlaufschwierigkeiten hatte auf der gegenüberliegenden Seite Robin Gosens, der Linksverteidiger empfahl sich nahe seiner Heimat Emmerich nachhaltig für die EM-Startelf. Immer wieder ging er mit Tempo in die Tiefe, zog so den dichten lettischen Abwehrblock auseinander – und war dabei auch noch effektiv: Nach 20 Minuten nämlich brachte er die bis dahin noch etwas träge DFB-Elf sehenswert in Führung, nach 27 Minuten legte er Thomas Müller den Treffer zum 3:0 auf. Es war das erste Länderspieltor des Rückkehrers seit dem 23. März 2018, dem 1:1 gegen Spanien – ebenfalls in Düsseldorf.
Für das zwischenzeitliche 2:0 hatte mit einem wuchtigen Schuss von der Strafraumgrenze Ilkay Gündogan gesorgt, einer der England-Legionäre, die erstmals in der Startelf standen. Ein weiterer drückte der Partie noch deutlich stärker seinen Stempel auf: Kai Havertz fand auch in den engsten Räumen immer wieder Lücken zwischen den lettischen Abwehrbeinen. Vor dem 1:0 verschaffte er sich mit einer winzigen Körpertäuschung Raum für den Pass auf Gosens, später ließ er mit feinem Dribbling gleich zwei Gegner stehen und schoss aus spitzem Winkel – und von Torhüter Roberts Ozols abgefälscht flog der Ball ins Tor (39.). Schwer vorstellbar, dass sich nach diesem Auftritt kein Startelfplatz für Havertz findet.
Auch Defensive hat Lust zur Zauberei
Von der Lust zur Zauberei ließ sich auch die Defensive anstecken: Hummels schlug aus der eigenen Hälfte einen Außenrist, Flugball auf Gnabry, der frei vorm Tor einschoss (45.). Und Zeit für etwas Seelenstreichelei war auch noch: Der eingewechselte Timo Werner, zuletzt oft glücklos in der Chancenverwertung, erhöhte auf 6:0 (50.).
Die deutsche Mannschaft stürmte weiter, vergab aber beste Chancen. Stattdessen ärgerte Aleksejs Saveljevs den Jubilar Neuer, als er aus der Ferne einen herrlichen Ehrentreffer erzielte (75.). Während der Torhüter noch schimpfte, traf Leroy Sané vorne zum 7:1.
So wurde die Partie das erhoffte Warmschießen für das erste EM-Spiel am 15. Juni – ein Gradmesser für Weltmeister Frankreich aber waren die weitgehend überforderten Letten nun wirklich nicht.