Seefeld. Gegen Lettland wird Manuel Neuer sein 100. Länderspiel bestreiten. Auch mit 35 Jahren hat der Torwart noch viel vor im DFB-Team.
Sätze wie diesen hat man schon ziemlich oft gehört: „Der Manu hat besondere Qualitäten“, sagt Bernd Leno, Ersatztorhüter der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, über Stammtorwart Manuel Neuer. „Man sieht, dass er regelmäßig spielt und ich nicht.“ Das Urteil ist dann doch neu, und man müsste sich gehörig wundern – wüsste man nicht, dass Leno übers Tennisspielen spricht.
Im Trainingslager in Seefeld, wo sich die Nationalmannschaft auf die Europameisterschaft (11. Juni bis 11. Juli) vorbereitet, hatten sich Leno, Neuer und ein paar Mitspieler zur Abwechslung mal ein paar kleine Filzbälle um die Ohren gehauen. Und Leno musste erkennen: „Im Tennis komme ich auf gar keinen Fall an Manu ran.“
Manuel Neuer ist bereits Rekord-Torwart im DFB-Team
Auf dem Fußballplatz allerdings auch nicht. Mit nunmehr 35 Jahren ist Neuer im Tor der deutschen Nationalmannschaft noch immer unangefochten. In Seefeld brillierte er auch im Training, drehte regelmäßig die schärfsten Schüsse noch um den Pfosten. Deswegen wird er bei der EM der deutsche Schlussmann sein, deswegen wird er auch im letzten Testspiel gegen Lettland an diesem Montagabend (20.45 Uhr/RTL) in Düsseldorf zwischen den Pfosten stehen – und sein 100. Länderspiel machen.
Mit 99 Länderspielen ist der frühere Schalker schon jetzt Rekordspieler unter den Torhütern vor den Legenden Sepp Maier (95) und Oliver Kahn (86). Aber die 100 vollzumachen, ist noch einmal etwas Besonderes. „Gerade als Torwart ist es nicht so leicht, so viele Länderspiele zu machen“, sagt Neuer selbst. „Das erfüllt mich mit Stolz.“
Als Feldspieler hat man es leichter: Man kann auf verschiedenen Positionen eingesetzt werden, man kann in der Schlussphase eingewechselt werden und hat einen weiteren Einsatz in der Bilanz. Für Torhüter gibt es normalerweise keine Kurzeinsätze, erst recht keine verschiedenen Positionen. Daher ist es außergewöhnlich, wenn einer auf 100 Länderspiele kommt, erst recht im Torhüterland Deutschland.
Manuel Neuer hat das Torwartspiel perfektioniert
„Von seinem ersten Moment bei uns an hatte ich das Gefühl: Das wird mal ein ganz großer Torhüter“, schwärmt Bundestrainer Joachim Löw. „Schon da hatte er diese immense Ausstrahlung und Präsenz.“
Das Gefühl hat Löw nicht getrogen, Neuer wurde Weltmeister, Champions-League-Sieger und gilt seit vielen Jahren als einer der Besten seines Fachs – von dem selbst die Konkurrenten schwärmen. „Für mich ist es etwas Besonderes, mit Manu zu arbeiten, weil man einfach sieht, welche Klasse er auf und neben dem Platz hat“, sagt Kevin Trapp, der dritte deutsche Torhüter im EM-Kader. „Er ist Kapitän des FC Bayern, einem der größten Klubs der Welt – und der Nationalmannschaft.“
Und er setzt Maßstäbe: Das moderne Torhüterspiel, das Mitspielen im Aufbau und das Abfangen von Bällen weit vor dem Tor, hat Neuer zwar nicht erfunden; aber er hat es perfektioniert. „Sein ganzes Torwartspiel ist besonders, und ich mache kein Hehl daraus, dass ich mir sehr gerne auch noch ein bisschen etwas abschaue“, sagt Trapp.
Neuer "der beste, den ich je gesehen habe. Punkt!"
Man hat es fast vergessen, aber vor gerade einmal drei Jahren wurde noch ganz anders gesprochen über die deutsche Nummer 1. Nach einem Mittelfußbruch ging er angeschlagen in die Weltmeisterschaft 2018, Löw zog ihn trotzdem dem damals überragend aufspielenden Marc-André ter Stegen vor – und setzte das fatale Signal, dass Verdienste der Vergangenheit mehr zählen als aktuelle Leistungen.
Heute ist das anders. Heute wählt Löw sehr viel konsequenter nach Form und Fitness aus – und an Neuers Status gibt es ohnehin nicht den geringsten Zweifel. „Manu ist der beste Torwart, den ich je gesehen habe. Punkt!“, sagt Mats Hummels. „Er ist der Beste, der irgendwann jemals auf der Welt zwischen den Pfosten stand.“
Auch Leno, der beim FC Arsenal in der Premier League tagtäglich anderen Weltklasse-Schlussmännern begegnet, fällt kein Besserer ein. Nicht Ederson von Manchester City, nicht Alisson vom FC Liverpool. „Manu ist noch ein Stück kompletter“, meint Leno. „Ich würde sagen, dass er immer noch der Beste ist.“
Manuel Neuer denkt nicht an ein Karriereende
Und auch mit 35 denkt der noch nicht ans Aufhören. „Ich habe immer viel Spaß und Freude bei der Nationalmannschaft und ziehe gerne auch in Zukunft das Trikot an, wenn es mir gut geht und der Körper sagt, dass es weitergeht“, kündigt Neuer an. „Ich fühle mich noch fit und leistungsfähig, habe eine Menge Spaß auf dem Platz und nicht vor, meine Karriere zu beenden.“
Keine schönen Aussichten für jene, die darauf warten, dass der Platz im Tor endlich frei wird – aber der 30-jährige Trapp hat sich mit dem Gedanken an den ewigen Neuer schon abgefunden: „Es ist natürlich schade für alle Torhüter, die dahinter sind“, sagt er „Aber ich hoffe für uns, dass er noch ein paar erfolgreiche Jahre vor sich hat.“ Und dem noch ein Jahr jüngeren Leno fällt immerhin noch ein, dass er nicht in allen Belangen chancenlos ist: „Ich bin ziemlich sicher, dass ich ihn an der Playstation besiegen würde.“