Frankfurt/Main. Hansi Flick und Ralf Rangnick stehen ganz oben auf der Liste der möglichen Bundestrainer. Vieles hängt davon ab, was der FC Bayern will.

Nein, sagt Oliver Bierhoff, die Nachricht habe ihn nicht wie ein Blitz getroffen. Der Direktor für die Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund war ja als einer der ersten eingeweiht in den Plan von Joachim Löw, nach der Europameisterschaft in diesem Sommer als Bundestrainer abzutreten. Außerdem muss er qua Amt vorbereitet sein darauf, dass der Trainer mal nicht mehr weitermachen will oder darf. „Es ist nicht so, dass ich mich erst ab heute mit solchen Gedanken beschäftige“, sagt Bierhoff. „So einen Fall hat man immer im Hinterkopf, man war in den letzten Monaten nicht tatenlos. Jetzt geht es ans Eingemachte.“

Dabei hätte man es vielleicht sogar verstanden, wenn erst einmal Ratlosigkeit geherrscht hätte beim Verband, wenn man hektisch ein „Handbuch Trainersuche“ bestellt oder sich mal bei den Kollegen aus der Bundesliga erkundigt hätten, wie man das denn so macht: einen Trainer finden. Als der DFB zuletzt vor dieser Frage stand, wurde das Land noch von Gerhard Schröder regiert und der Verband von Gerhard Mayer-Vorfelder, dem Vor-Vor-Vor-Vorgänger des aktuellen Präsidenten Fritz Keller. Eine Trainerfindungskommission ermittelte im Jahr 2004 über mehrere Wochen den besten Kandidaten und kam dann auf Jürgen Klinsmann. Als der 2006 abtrat, übernahm sein Assistent Joachim Löw.

Bierhoff sucht den Nachfolger für Löw

So war es jahrzehntelang Usus beim DFB: Sepp Herberger folgte auf Otto Nerz, Helmut Schön auf Herberger und Jupp Derwall auf Schön. Später übernahm der Assistent Berti Vogts vom Teamchef Franz Beckenbauer.

Dass nun Marcus Sorg, der aktuelle Assistent, folgen könnte, glaubt aber niemand wirklich. Eine Trainerfindungskommission werden sie beim DFB dennoch nicht gründen müssen, inzwischen ist klar geregelt, wie der Prozess abzulaufen hat: Bierhoff sucht einen Kandidaten, empfiehlt diesen dem Präsidial-Ausschuss, und am Ende entscheidet das Präsidium.

Die Liste der Kandidaten ist nicht lang

Wen er im Blick hat, das mag Bierhoff nicht sagen, aber die Liste ist nicht lang, seit der ewige Favorit Jürgen Klopp mehr als deutlich abgesagt hat. Im Wesentlichen umfasst sie zwei Namen: Hansi Flick und Ralf Rangnick. Beide passen in das Profil, das Bierhoff zumindest grob umreißt: Ein deutscher Trainer soll es sein. Einer, der die technische Kompetenz mitbringt, der Spiele analysieren und schnell entscheiden kann, der kommunikative Kompetenz mitbringt und auch den Druck eines großen Turniers unter den Augen der Öffentlichkeit aushalten kann.

Flick, der Bayern-Trainer, wird im Verband über alle Maßen geschätzt. Ihm rechnet man einen großen Anteil am Weltmeisterschaftstitel 2014 zu, durch die sechs Titel mit dem FC Bayern hat er zusätzlich an Profil gewonnen. Dort spielen praktischerweise die meisten wichtigen Nationalspieler, und auch der dominante, direkte Offensivfußball Flicks passt zu dem, was Bierhoff und Löw zuletzt vorschwebte.

Was will der FC Bayern?

Der 56-Jährige würde bei allem Selbstbewusstsein noch am ehesten Kontinuität zur Ära Löw verkörpern. Das Problem: Er steht noch bis 2023 in München unter Vertrag. Dass das DFB-Präsidium beschlossen hat, keinen unter Vertrag stehenden Trainer abzuwerben, muss kein Hindernis sein, denn man hat sich eine komfortable Hintertür eingebaut: „Wenn wir Gespräche führen, würden wir das nur in Abstimmung mit dem jeweiligen Verein tun“, sagt Bierhoff.

Flick, so geht die Einschätzung im Verband, würde schon wollen. Aber man ist abhängig davon, was der FC Bayern will. Und da wird es kompliziert. Einerseits ist immer wieder zu hören von Reibereien mit Sportdirektor Hasan Salihamidzic, in der Bewertung von Spielern und Transfers ist man sich nicht immer einig. Andererseits ist der starke Mann beim FC Bayern Karl-Heinz Rummenigge. Der ist großer Flick-Fan und hat mehrmals öffentlich bekundet, dass er gar nicht daran denkt, seinen Trainer abzugeben, was entweder Teil des üblichen Pokerspiels oder ein entscheidendes Hindernis sein kann.

Ralf Rangnick hat Zeit – und Lust

Bedeutend einfacher ist die Lage da bei Ralf Rangnick. Der 62-Jährige ist frei, das hat er öffentlich sehr deutlich betont. Und nicht nur deswegen ist Rangnick ein sehr ernsthafter Kandidat. Bierhoff hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit dem erfahrenen Trainer und Projektleiter ausgetauscht, er schätzt dessen Expertise. Die öffentlich kursierende Theorie, dass der ebenso smarte wie machtbewusste DFB-Direktor nicht klarkäme mit dem meinungsstarken Rangnick, der immer etwas mehr als nur ein Trainer sein will – diese Theorie teilt man in der Verbandszentrale an der Otto-Fleck-Schneise nicht.

„Es darf keine Tabus geben“, sagt Präsident Keller. Und Bierhoff beteuert, er werde „alleine daran denken, was die besten Erfolgsaussichten bringt, egal ob jemand bequem oder unbequem ist“. Auch sein Hinweis, dass er nicht nach Umfragewerten, sondern allein nach Kompetenz entscheiden werde, lässt sich durchaus als Hinweis auf Rangnick lesen, der nicht gerade der Favorit der Öffentlichkeit ist.

Jürgen Klopp liegt in den Umfragen vorne

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Nein, in den Umfragen liegt natürlich Jürgen Klopp vorne – aber vielleicht hilft es ja, dass der eine klare Wahlempfehlung abgibt: „Ralf Rangnick würde dem DFB guttun. Vielleicht fragt ihr den mal. Er hat im Moment auch noch Zeit.“ Zeit will sich auch der DFB nehmen. „Die Entscheidung ist wichtig, aber nicht dringend“, sagt Bierhoff. Bis zur EM habe man ja einen Trainer. Andererseits: „Wir haben im September wieder Spiele, das sollte nicht zwei Tage vorher geschehen.“

Der DFB-Direktor will sich eben nicht festnageln lassen, nicht einmal auf die Frage, ob auch eine Frau in Frage kommt. „Ich würde nie etwas ausschließen“, antwortet er lächelnd. „Insofern dürft ihr weiter spekulieren.“