Leipzig. Lange war gerätselt worden, ob die Partie Deutschland gegen die Ukraine angepfiffen werden soll: Die Nationalmannschaft gewinnt 3:1.

Als auch die drei Minuten Nachspielzeit um 22.34 Uhr am späten Samstag absolviert waren, war es amtlich: 3:1 hatte die deutsche Mannschaft gegen die Ukraine gewonnen. Leroy Sané hatte ein Tor erzielt, Leipzig-Rückkehrer Timo Werner sogar zwei. Es war kein Fußballfest, aber doch ein Erfolg, den man allgemein als verdienten Pflichtsieg einordnen durfte.

Lange Debatten vor dem Spiel der Nationalmannschaft

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Dass die Partie gegen die Ukraine überhaupt angepfiffen werden konnte, stand bis fünf Stunden vor dem offiziellen Spielbeginn noch gar nicht fest. Erst kurz nach 16 Uhr hatte das Leipziger Gesundheitsamt grünes Licht gegeben, nachdem alle Nachtests der ukrainischen Mannschaft negativ ausgefallen waren. Der Hintergrund: Am Abend zuvor war bekanntgeworden, dass vier Spieler um den Ex-Dortmunder Anrej Jarmolenko und ein Teammanager positiv auf das Coronavirus getestet worden waren. Das ukrainische Quintett wurde umgehend vom Rest der Mannschaft separiert und hatte das zweifelhafte Vergnügen, die Partie am Abend jeweils alleine auf dem Zimmer im Steigenberger Hotel zu verfolgen.

Robin Koch als variabler Springer

Ob die Überraschung in der Steigenberger-Quarantäne groß war, dass in der zwei Kilometer entfernten Red Bull Arena die Gastgeber erneut mit Löw-Liebling Robin Koch von Beginn an als eine Art variabler Springer zwischen Abwehr und Mittelfeld aufliefen, ist nicht überliefert. Der Rest der deutschen Startelf – inklusive des Höchstgeschwindigkeitssturms mit Timo Werner, Leroy Sané und Serge Gnabry – war jedenfalls genauso erwartet worden.

Hoher Unterhaltungsfaktor in der ersten Halbzeit

Und der Unterhaltungsfaktor, das kann man nicht anders sagen, war zumindest im ersten Durchgang hoch. Anders als am Mittwoch, als das Spiel gegen Tschechien den TV-Quotenkampf gegen Horst Lichters Show Bares gegen Rares verloren hatte, musste sich die Partie gegen die Ukraine auf keinen Fall vor dem Konkurrenzprogramm mit Dieter Bohlen und dem Supertalent auf RTL verstecken. Von der ersten Minute an versuchte die deutsche Mannschaft möglichst den schnellsten Weg zum Tor zu finden, musste aber gleichzeitig höllisch vor dem berüchtigten Umschaltspiel der Ukrainer aufpassen.

Was dieses Umschaltspiel so berüchtigt macht, verdeutlichte die Mannschaft von Andriy Shevchenko nach nicht einmal einem Viertelstündchen. Nach einem fröhlichen Drunter und Drüber im deutschen Strafraum, an dem Koch und Neuling Philipp Max die unfreiwilligen Hauptrollen übernahmen, war es schließlich Roman Yaremchuk, der für das überraschende 0:1 sorgte (12.).

Eine Energieleistung von Leon Goretzka

Wer von den 83 Millionen Bundestrainern, die es bekanntermaßen in Deutschland gibt, nun in Versuchung geriet, zu RTL und Dieter Bohlen umzuschalten, den konnte man nur bemitleiden. Denn tatsächlich ließ sich das DFB-Team durch den frühen Rückschlag überhaupt nicht aus dem Konzept bringen. Doch es brauchte schon eine Energieleistung Leon Goretzkas, um Zählbares zu erwirken. Seine Balleroberung in der eigenen Hälfte mit anschließendem Lothar-Matthäus-Gedächtnis-Sprint mit Ball am Fuß über den halben Platz wurde schließlich von Sané veredelt. Eine kurzer Haken, ein überlegter Schuss ins lange Eck – 1:1 (23.).

Keine Frage: ein schönes Tor. Doch natürlich geht es auch noch schöner. Zehn Minuten später war es Koch, der den nächsten Leckerbissen mit einem herrlichen Pass auf Goretzka servierte. Diesmal schlüpfte der Bajuware in die Rolle Zlatan Ibrahimovics, pflückte sich den Ball mit einem gelenkigen Karatesprung aus der Luft und bediente den lauernden Werner per Volleyvorlage. Ein Tor wie ein Gedicht (33.).

Den einzigen Vorwurf, den sich Goretzka nach 45 Minuten gefallen lassen musste: Der beste Mann der ersten Hälfte hatte zwar zwei Tore mustergültig vorgelegt, hätte bei drei Chancen (3./26./43.) aber auch mindestens ein Tor selbst erzielen können. Und trotzdem: Die Diskussion, ob der gesperrte Toni Kroos am Dienstag in Spanien überhaupt einen Platz in diesem Mittelfeld erobern kann, war eröffnet.

Timo Werner sorgt für klare Verhältnisse

Im zweiten Durchgang brauchte es allerdings eine Schrecksekunde, als Oleksandr Zinchenkos abgefälschter Schuss den Außenpfosten küsste (52.), ehe nach einer knappen Viertelstunde die Sané-Gnabry-Festspiele begannen. Doch weil weder Sané (nach herrlichem Pass von Gnabry) noch Gnabry (nach zweifacher Vorarbeit Sanés) eine ihrer drei Chancen zwischen der 57. und 61. verwandeln konnten, blieb es zunächst spannend – bis erneut Rückkehrer Werner für klare Verhältnisse sorgte. Kompromisslos drosch er die Vorlage Matthias Ginters zum 3:1 und damit zur Vorentscheidung ins Netz (64.).

Den Rest des Spiels darf man – trotz zweier weiterer Ukraine-Schüsse an die beiden Manuel-Neuer-Pfosten – als Auslaufen und Schonprogramm im Hinblick auf das Gruppenfinale der Nations League am Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) in Sevilla abhaken. Weil Spanien zeitgleich gegen die Schweiz 1:1 spielte, würde Löws Mannschaft bereits ein Remis zum Gruppensieg reichen. Eine halbwegs gute TV-Quote sollte also im Bereich des Möglichen sein.