Gelsenkirchen. Vor dem Länderspiel heute gegen Tschechien kritisiert Bundestrainer Löw die Terminhatz. Er nimmt die Verbände stärker in die Pflicht.

Es war bereits dunkel, als sich Deutschlands Fußball-Elite wenige Meter entfernt von Leipzigs Red-Bull-Arena zum Abschlusstraining vor dem Länderspiel an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) traf. Das hatte wenig mit den am Vortag von Oliver Bierhoff heraufbeschworenen „dunklen Wolken“ zu tun, die der DFB-Direktor rund um die Nationalmannschaft ausgemacht hatte. Sondern viel mehr mit der Trainingszeit um 17.30 Uhr, die ein geordnetes Training auf der anderen Seite des Elstermühlgrabens ohne Flutlicht unmöglich gemacht hätte.

Joachim Löws fehlen fünf Außenverteidiger

Willkommen im November. Für etwas Licht in dieser eher tristen Jahreszeit hatte Bundestrainer Joachim Löw höchstpersönlich sorgen sollen, als er fünf Stunden zuvor im Mannschaftshotel „The Westin“ die Lage der Nation analysierte. Wie er denn diese dunkle Bierhoff-Wolke vertreiben würde. „Als Trainer weiß ich ganz genau, welche Entwicklungsschritte wir als Mannschaft brauchen“, sagte Löw. „Es ist aber auch nicht ganz einfach, mit dieser Situation umzugehen.“

Diese Situation – damit hatte der 60-Jährige zunächst Raum für Spekulationen gelassen. Meinte er die Stimmung rund ums DFB-Team, die er selbst als „anders als im vergangenen Jahr“ beschrieb? Oder hatte das damit zu tun, weil seit dem späten Saisonstart mit immer mehr Spielen kaum Zeit für ein Durchpusten ist?

Löw sucht Antworten

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Löw saß in einem nahezu leeren Raum und suchte nach Antworten. Er fand sie. „Der Terminkalender ist zu voll“, sagte er schließlich. „Vieles wird auf dem Rücken der Spieler ausgetragen. Wenn wir Trainer jetzt nicht die höchste Vorsicht walten lassen, haben wir nächstes Jahr ein großes Problem.“ So würden beim Testspiel gegen Tschechien, das den aufgeblähten Terminkalender zusätzlich belastet, eine ganze Reihe von Nationalspielern fehlen. Mit Joshua Kimmich (eingerissener Meniskus), Marcel Halstenberg, Thilo Kehrer (beide Adduktorenbeschwerden), Robin Gosens (Muskelverletzung) und Benjamin Henrichs (Patellasehnenprobleme) werden dem Bundestrainer in Leipzig gleich fünf potenzielle Außenverteidiger fehlen, was Löw erneut nachdenklich stimmte. Die Profis seien mit dem ewigen Drei-Tage-Rhythmus „ständig getrieben“, der Bundestrainer geht im Hinblick auf die Europameisterschaft im kommenden Sommer von „noch viel größeren Problemen“ aus. „Diejenigen, die für den Terminkalender verantwortlich sind, müssen die Köpfe zusammenstecken.“

Bundestrainer Löw kritisiert auch den DFB

Dass Deutschlands oberster Fußballlehrer damit erneut seinen eigenen Verband indirekt kritisierte, dürfte den 60-Jährigen nicht tangieren. Bereits im September hatte er kein Blatt vor den Mund genommen und sehr deutlich gemacht, dass er drei Länderspiele in zehn Tagen nicht für sinnvoll halte. Selbiges gilt natürlich noch immer für das im Prinzip bedeutungslose Testspiel gegen Tschechien, das nur deswegen ausgetragen wird, weil sich der DFB mit seinen Vermarktern und der Uefa lange vor der Corona-Krise auf eine bestimmte Anzahl von Länderspielen geeinigt hatte, die nun durchgezogen werden müssen.

Montag geht’s ins Risikogebiet Spanien

Corona hin oder her – the Show must go on. Und so heißt es in den kommenden Tagen: Mittwoch Testspiel gegen Tschechien. Sonnabend Nations-League-Spiel gegen die Ukraine. Am Montag fliegt der DFB-Tross dann ausgerechnet ins Risikogebiet nach Spanien, wo am Dienstag schließlich die letzte Nationalmannschaftspartie des Jahres gegen Spanien auf dem Programm steht.

„Wir haben eine hohe Verantwortung dafür, was die Gesundheit der Spieler betrifft“, sagte Löw am Ende seiner Ausführungen – und hatte damit vieles Richtiges und Wichtiges gesagt. Nur eines sollte auch ihm an diesem Dienstag nicht gelingen: Bierhoffs dunkle Wolken hatten sich nicht verzogen.