Leipzig. Nationalspieler Luca Waldschmidt spricht im Interview über die mutmaßlich schlechte Stimmung im Team und seine neue Wahlheimat Lissabon.
Es war bereits kurz vor Mitternacht, als sich Luca Waldschmidt nach dem 1:0-Sieg gegen Tschechien über ein ganz besonderes Kompliment freuen durfte. „Luca hat einen Schritt nach vorne gemacht bei uns“, lobte Bundestrainer Joachim Löw den Torschützen des Tages. „Luca hat eine große Torgefahr, hat eine klasse Technik im Abschluss. Mit ihm kann man auch kombinieren, er bewegt sich gut in den Zwischenräumen.“ Waldschmidt selbst schien all die Lobhudelei fast ein wenig unangenehm. „Es fühlt sich immer gut an, zu gewinnen“, floskelte der 24-Jährige. „Diese Spiele sind da, um sich anzubieten. Offensiv haben wir viele gute Spieler. Wenn man mich braucht, versuche ich mein Bestes zu geben.“
Sein Bestes hatte Waldschmidt auch schon am Vortag gegeben, als er sich die Zeit nahm, um im digitalen Interview seine eigene Zeit bei der Nationalmannschaft und bei seinem neuen Club Benfica Lissabon zu rekapitulieren. Ein Gespräch über Oliver Bierhoff, Finn Porath und eine besondere WhatsApp-Nachricht.
Herr Waldschmidt, haben Sie gut geschlafen?
Luca Waldschmidt: Bestens. Warum?
Oliver Bierhoff hat am Montag gesagt, dass er bei der Nationalmannschaft derzeit viele müde Gesichter sehe, weil die Stimmung in Deutschland rund um die Nationalmannschaft so schlecht sein soll. Wie ist Ihr Eindruck?
Luca Waldschmidt: Natürlich haben wir Spieler das mitbekommen. Es wird ja gerade sehr viel über schlechte Stimmung bei der Nationalmannschaft berichtet. Das bringt aber niemanden weiter. Oli hat es meiner Meinung nach richtig beschrieben: Es gibt derzeit einen Umbruch im Nationalteam – und der kann ein bisschen bessere Stimmung gebrauchen.
Bierhoff hat vor allem versucht, Geduld für die jungen Spieler, also auch für Sie, anzumahnen. Wurde innerhalb der Mannschaft über sein Plädoyer gesprochen?
Luca Waldschmidt: Während Olis Pressekonferenz war ich noch im Flieger, weil ich durch meine Anreise aus Lissabon immer als letzter ankomme. Aber als ich dann da war, waren Olis Worte natürlich ein Thema bei uns. Jeder, der die Pressekonferenz wie ich nicht sehen konnte, hat die wichtigsten Aussagen danach ja gelesen. Ich finde es gut, dass er gerade den jungen Spielern stärken wollte.
Darf man Sie nach vier Länderspielen noch als Frischling bezeichnen?
Luca Waldschmidt: Einerseits bin ich natürlich noch ein Neuling, andererseits bin ich auch schon eine ganze Weile dabei. Mein Debüt ist ja schon länger als ein Jahr her. Ein richtiger Frischling bin ich wahrscheinlich nicht mehr.
Ist es für Sie denn noch etwas Besonderes, wenn Sie bei der Nationalmannschaft dabei sein dürfen?
Luca Waldschmidt: Natürlich. Das wird sich auch nie ändern, dass es für mich etwas Besonderes sein wird, wenn ich nominiert werde. Diesmal wurde mir durch eine WhatsApp-Nachricht mitgeteilt, dass ich wieder dabei bin. Und obwohl diese Einladung nicht wirklich überraschend kam, habe ich mich natürlich total gefreut. Ich habe auch sofort meine Eltern angerufen und ihnen davon berichtet. Die waren natürlich stolz.
Sie sind im August aus Freiburg nach Lissabon gewechselt. Wie gefällt's?
Luca Waldschmidt: Sehr gut, auch wenn ich coronabedingt die Stadt noch nicht so erkunden konnte wie ich es gerne würde. Aber Lissabon scheint eine Stadt zu sein, in der man sich sehr schnell wohlfühlt. Und obwohl wir derzeit alle drei Tage ein Spiel haben, konnte ich auch schon ein bisschen Portugiesisch lernen. Der Club hat mir eine Lehrerin gestellt. Am Schwierigsten tue ich mich noch mit der Aussprache – aber irgendwann will ich die Sprache beherrschen.
Nach fünf Siegen in Folge und vier Toren zum Saisonbeginn haben Sie nun die vergangenen beiden Spiele verloren. Haben Sie schon Bekanntschaft mit der traditionell harten Presselandschaft in Portugal gemacht?
Luca Waldschmidt: So gut kann ich Portugiesisch zum Glück noch nicht, um jede Schlagzeile von „O Jogo“, „A Bola“ oder „Record“ zu verstehen. Aber natürlich bekommt man ein Gefühl dafür, welche Bedeutung der Club in Portugal hat. Benfica ist hier eine Religion.
Wie haben Sie das gemerkt?
Luca Waldschmidt: Direkt vor meinem Wechsel war das Champions-League-Finalturnier in Lissabon. Aber statt über dieses Großereignis zu berichten, waren die Zeitungen voll von meinem sich abzeichnenden Transfer. Julian Weigl und Haris Seferovic, den ich noch aus Frankfurt kannte, haben mir Bilder von den Titelseiten geschickt. Das war schon krass.
Ihre Zeit beim HSV ist auch schon wieder ein paar Jahre her. Haben Sie auch noch Kontakt nach Hamburg?
Luca Waldschmidt: Klar. Am Montagabend habe ich in unserem Mannschaftshotel auch die zweite Halbzeit des HSV-Spiels gegen Holstein Kiel verfolgt. Natürlich habe ich dem HSV die Daumen gedrückt, aber auch bisschen meinem Kumpel Finn Porath, der ja die Vorlage zum 1:1 machte.
Haben Sie das Spiel mit anderen Nationalmannschaftskollegen zusammen geschaut?
Luca Waldschmidt: Nein. Wir haben ja alle ein Einzelzimmer. Aus Corona-Gründen können wir uns dann nicht in einem Zimmer treffen und so ein Spiel in der großen Gruppe schauen. Eigentlich schade, da ja besonders die Schlussphase spannend war. Eigentlich muss der HSV das 2:0 machen, im Gegenzug macht Kiel das 1:1.
Auf spannende Spiele mit der Nationalmannschaft hoffen die Fans auch am Sonnabend gegen die Ukraine und vor allem am Dienstag in Spanien…
Luca Waldschmidt: …auf das ich mich natürlich ganz besonders freue. Und ein kleiner Bonuspunkt: Nachdem ich in Leipzig die weiteste Anreise hatte, bin ich nach dem Spanienspiel als Erster zuhause. Sevilla ist ja nur einen Katzensprung von Lissabon entfernt.