Leipzig. In England will Timo Werner einen Entwicklungsschritt machen und robuster werden. Eine Kostprobe soll er gegen die Ukraine liefern.

Bei Peer Wagners Bratwurststand war die Lage am Freitagmittag ruhig. Hier, in Leipzigs Innenstadt zwischen Neumarkt und der Grimmaischen Straße, wo es dem Vernehmen nach die beste Bratwurst der Stadt gibt, hatte sich Timo Werner jedenfalls noch nicht blicken lassen. Der Stürmer, der vor seinem 53-Millionen-Euro-Wechsel von RB zu Chelsea ein gerngesehener Stammkunde an dem Stand war, hatte seit seiner Ankunft in Leipzig am Vortag offenbar Verpflichtungen, schlicht keinen Hunger – oder nach drei Monaten in England seine Vorliebe für Bratwurst vergessen.

Timo Werner fühlt sich in London wohl

Auch interessant

Die gute Nachricht für Peer Wagner: Letzteres ist auszuschließen. So berichtete ein gut gelaunter Werner bei ersterem, der Verpflichtung Pressekonferenz am Tag vor dem Nations-League-Spiel gegen die Ukraine (Sa., 20.45 Uhr/ZDF), dass er auch nach drei Monaten in London noch keinen vergleichbaren Bratwurststand in Englands Metropole gefunden habe. Aber: London sei auch ohne Wagners Wurstspezialität eine tolle Stadt, in der man sich sehr wohl fühlen könne – besonders ganz ohne Touristen. Die Tower Bridge, rund um den Buckingham Palace, das alles habe er sich bereits ganz ohne das sonst übliche Gedränge anschauen können, sagte Werner.

Timo Werner mag das Gedränge in der Premier League

Auch an das übliche Gedränge in den Strafräumen der Premier League habe sich der 24-Jährige sehr schnell gewöhnt. Fußballerisch ist das Inselvölkchen ja vor allem durch ihr kraftbetontes Spiel bekannt.

„Ich habe noch nie gegen drei so große, schwere, massive Verteidiger gespielt“, hatte Werner nach seinem ersten Spiel für Chelsea noch schwer beeindruckt zu Protokoll gegeben. „So etwas gibt es in Deutschland nicht.“

Zwei Monate später saß Werner am Freitagmittag im Mannschaftshotel The Westin und sprach offen darüber, wie sehr ihm die britische Spielweise bei seiner fußballerischen Weiterentwicklung zu Gute komme: „Man wird robuster, geht anders in Zweikämpfe“, sagte Werner. „Das sind Dinge, die mir auch in der Nationalmannschaft helfen.“

Löw betrachtet Werners Weg mit Wohlwollen

Tatsächlich hat auch Bundestrainer Joachim Löw einen Tag vor der Partie gegen die Ukraine mit großem Wohlwollen registriert, dass Deutschlands wohl aufregendster Torjäger seit Miroslav Klose so gut im Vereinigten Königreich Fuß gefasst habe. „Es hat mich gefreut, dass sich der Timo in der Premier League so geräuschlos integriert hat. Er machte sofort seine Tore“, lobte Löw, der eben genau dies auch an diesem Samstag in Werners altem Wohnzimmer von ihm erwartet. „Seine Torquote spricht für ihn.“

Acht Treffer in zwölf Spielen

Werner hat bei Chelsea London tatsächlich dort angeknüpft, wo er nach 95 Toren in 159 Pflichtspielen für RB Leipzig aufgehört hat. Mittlerweile hat er acht Treffer in zwölf Spielen erzielt. Werner hat die meisten Premier-League Tore (vier) und die meisten Champions-League-Treffer (drei) aller Chelsea-Spieler.

Auch interessant

„Die englische Härte macht mich robuster“, sagte Werner Beinhart, der in der alten Heimat aber natürlich nicht vergessen hat, wem er seine bisherige Entwicklung vor allem zu verdanken hatte. So durfte sich der gesamte Trainer- und Mitarbeiterstab Leipzigs über persönliche Geschenke aus London freuen, die Werner zum Dank für die vergangenen vier Jahre verschickt hatte. RB-Cheftrainer Julian Nagelsmann, ein großer Motorradfan, etwa bekam einen schwarz-roter Motorradhelm mit Widmung der kalifornischen Edelmarke Bell. „Schickes Teil“, urteilte Nagelsmann.

Nur gegen die Ukraine will Werner auf keinen Fall Geschenke verteilen. Es gehe schließlich um den möglichen Gruppensieg in der Nations League, sagte der Angreifer, dem Bundestrainer Löw an alter Wirkungsstätte eine Stammplatzgarantie als zentraler Bestandteil des Highspeed-Angriffs mit Serge Gnabry und Leroy Sané versicherte. Diese drei hätten schon ein „extrem hohes Tempo“, frohlockte Löw.

Sollte der schnellste Bestellservice der Nationalmannschaft auch gegen die Ukraine zuverlässig liefern, gäbe es auch schon eine Idee für die perfekte Belohnung am Sonntag: eine Bestellung bei Peer Wagners Wurststand.