Essen. Viele Sportler suchen auch nach ihrer Karriere die ganz große Öffentlichkeit. Das ist verständlich, aber manchmal keine gute Idee. Eine Kolumne.
Emanuel Buchmann hat das Zeug zum Champion.“ Das sagt ein Ex-Radprofi über einen aktuellen Tour-de-France-Teilnehmer. Schöne Worte. Eigentlich. Genauer gesagt, wäre es ein tolles Kompliment, wenn es nicht ausgerechnet von Jan Ullrich käme, der zwar bislang als einziger Deutscher 1997 die Tour de France gewann, später aber eben auch ein klitzekleines Doping-Problem hatte. So war es wohl eher ein vergiftetes Lob.
Ausgerechnet vom einstigen Radsport-Idol der Nation würde man sich wünschen, dass es sich zum Radsport öffentlich nicht mehr äußert. Dass er sich nicht zurückhalten kann, offenbart ein Problem von Jan Ullrich. Der 45-Jährige – und dafür gibt es weitere Indizien – kommt mit der Stille nach dem Schluss nicht zurecht.
Die Leere nach der Karriere
Für viele ehemalige Leistungssportler scheint die Leere, die sich breit macht, wenn das Flutlicht erloschen, der letzte Jubel verhallt ist, unerträglich. So wie Jan Ullrich suchen viele Sportler eine Bühne, auf der sie sich weiter wahrgenommen fühlen. Sie tun beinahe alles, um der Stille nach der Karriere zu entgehen.
Viele Leistungssportler – das hat beinahe etwas Tragisches – haben auch nichts anderes gelernt. Im besten Fall reden sie nach Ihrer Karriere als Experten über ihren Sport, davon verstehen die Ex-Athleten eine Menge. Deshalb hört man ihnen meistens gerne dabei zu.
Dschungelcamp und Kochshow
Jan Ullrich ist ein Gegenbeispiel, eines, dem wegen seiner Vergangenheit sportpolitische Brisanz innewohnt. Harmloser, aber ähnlich peinlich sind die Dschungelcamp-Auftritte einer Legion von Vorzeigesportlern vom Hochspringer Carlo Thränhardt über den Eiskunstläufer Norbert Schramm bis zu den Fußball-Profis Eike Immel und Thorsten Legat. Letzterer versuchte sich außerdem noch fernseh-öffentlich als Promi-Boxer, Völkerball-Spieler und Promi-Koch.
Rampenlicht und Reibach
Die gerne verwendete Begründung, sich in neuen Feldern beweisen zu wollen, gilt wohl nur in Ausnahmefällen. Dass der 2,03-Meter-Mann Pascal Hens sich nach einer grandiosen Handball-Karriere bei Let’s Dance aufs Tanzparkett wagte, war gleichermaßen mutig wie erfolgreich. Hens scheint während der Sendung tatsächlich ein neues Körpergefühl entwickelt zu haben.
Aber sonst?
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Die sportlichen Untermieter im Dschungel, die Heerscharen ehemaliger Modell-Athleten in Koch- und sonstigen Shows dürfte doch eher die Mischung aus Rampenlicht und Reibach, also die Möglichkeit aus ihrem Talent noch möglichst lange Aufmerksamkeit und finanziellen Nutzen zu ziehen, zur öffentlichen Selbstentblößung bewegen. Den früheren Nationaltorwart Tim Wiese, der als „The Machine“ 2016 sehr öffentlichkeitswirksam, eine wirklich sehr, sehr kurze Karriere als Profi-Wrestler auslebte, dürfe vor allem die Geltungssucht zu gockelhaftem Gehabe getrieben haben.
Weiß im Übrigen eigentlich jemand so ganz genau, was die bis heute verehrte und beliebte Tennis-Ikone Steffi Graf derzeit macht? Nein? Ist das nicht schön?